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Feuerwasser

Feuerwasser

Titel: Feuerwasser
Autoren: Paul Lascaux
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die schief in ihren Angeln hing. Meter für Meter stapfte er ins Dunkel hinein und bemerkte missmutig, dass die Taschenlampe viel zu wenig Licht abstrahlte, um den gesamten, offenbar gut ausgebauten Stollen zu beleuchten. Danuser sah entweder den Boden, die Decke in etwa drei Metern Höhe oder eine der beiden Wände. Vor ihm wurde das Licht nach kurzer Distanz von der staubigen Dunkelheit geschluckt.
    So kämpfte er sich Schritt für Schritt voran, wurde jedoch unsicher und kribbelig, als er sich umwandte und den Eingang nur noch als schmalen Spalt erkannte. Da machte er kehrt, und seine Erleichterung wuchs mit jedem gewonnenen Meter gegen das Tageslicht. Nicht auszudenken, wenn ihm allein hier drin etwas zustoßen würde.
    Aber es war halt doch eine Niederlage für seinen Ehrgeiz. Und so beschloss er, sich im Schafloch noch etwas umzusehen. Ein schmaler Gang führte weiter nach oben zu einem Ausguck, den er noch nicht bemerkt hatte. Danuser rutschte auf der feuchten Erde aus, fing sich wieder und machte die letzten Schritte zum Beobachtungsbunker, als ohne Vorwarnung das Würgen in seinen Gedärmen wieder begann.
    Diesmal gab es allerdings einen Grund dafür.
    Vor ihm auf dem schmutzigen Boden lag ein Mensch. Benno Danuser brauchte sich jedoch keine Sorgen um ihn zu machen, denn dieser Körper war so tot, wie einer nur tot sein konnte. Der Mann, denn die Kleidung ließ darauf schließen, dass es sich um einen Mann handelte, war unter Hemd und Hose aufgedunsen, hingegen waren Waden, Hände und die offene Brust beinahe skelettiert. Offenbar hatten Alpendohlen und andere Bergbewohner ganze Arbeit geleistet. Wo das Gesicht hätte sein müssen, glotzte ihn ein windgebleichter Totenschädel aus leeren Augenhöhlen an.
    Danuser stand starr vor Schreck, und als ihn plötzlich der Eindruck überwältigte, die Leiche bewege sich, begann er zu zittern. Bevor er schreiend seinen Rückzug antrat, gelang es ihm jedoch, mit seiner hoch auflösenden Handykamera ein paar Fotos zu schießen, weil er an die Belohnung dachte, die das größte Boulevard-Blatt für Exklusivbilder ausgeschrieben hatte.
    Auch deshalb stoppte er sein Schreien, als er wieder auf dem Bergpfad stand. Noch hatte ihn keiner gehört. Als er endlich an einer Stelle angelangt war, wo er Empfang hatte, rief Danuser aufgeregt die Redaktion an, die ihn vorerst um Stillschweigen bat, bevor er die Bilder per Satellit nach Zürich schickte. Dann stieg er vorsichtig den Weg hinab, den er hochgekrochen war, setzte sich ins Auto und fuhr zurück nach Bern, nahm eine Dusche, beglückwünschte sich zu seiner Gelassenheit, auch wenn die Hände bei der Erinnerung an den Toten wieder zu zittern begannen, und meldete sich schließlich bei der Polizei. Das Telefonat wurde an Bernhard Spring weitergeleitet, der im Begriff war, sein Büro am Waisenhausplatz zu verlassen. Aber als Störfahnder war er der Mann für ungewöhnliche Fälle, einen wie ihn schickte man, wenn es über die Alltagsroutine hinaus einen speziell geschulten Ermittlungssinn brauchte. Auch stellte er jeweils ein Fundstück von den besonderen Fällen dem Polizeimuseum, dessen Hüter er war, zur Verfügung.
    Spring spürte, dass dies eine derartige Untersuchung werden würde, und er verfluchte diesen Berggänger, der sich erst so spät gemeldet hatte. Denn natürlich war es nun für eine Bergungsaktion bereits zu dunkel. Und dass er die Fotos erst morgen in der Presse zur Kenntnis nehmen durfte, machte ihn dermaßen wütend, dass er Benno Danuser ein Verfahren wegen Behinderung einer Amtshandlung androhte.

Montag, 8. September 2008

    Das militärische Festungsbauwerk Schafloch war in den Jahren des Zweiten Weltkriegs neben den steilen Direktzugängen durch eine Seilbahn erschlossen worden, die jedoch schon vor langer Zeit wieder abgebaut worden war. Deshalb blieb der Polizei zur Bergung der Leiche nichts anderes übrig als ein Flug mit dem Helikopter. Bernhard Spring hatte sich die ganze Geschichte einen Abend lang durch den Kopf gehen lassen, hatte eine ihm selbst unbegreifliche Wut bekommen und gab kurz nach Mitternacht den Auftrag, Benno Danuser verhaften zu lassen, um ohne weiteren Verzug an alle wichtigen Informationen zu gelangen.

    Am Himmel lärmte ein Düsenflugzeug, im Garten beschwerte sich zwitschernd ein Vogel, dem bald ein zweiter folgte, was sich zu einem frühmorgendlichen Konzert entwickelte, das jäh stoppte, als eine Krähe ihr penetrantes Krächzen durch die Bäume schickte. Es war dann aber
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