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Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2)
Autoren: Joe Abercrombie
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und wie. Das ganze Tal war voller Leichen. Sie lagen verstreut auf den Hängen, eingeklemmt zwischen Felsen, ausgestreckt unter dem Ginster. Sie lagen auf dem Gras im Tal wie Nägel, die aus einem Sack gefallen sind, zusammengekrümmt und furchtbar zugerichtet auf der braunen Erde der Straße. Man hatte sie am Fluss aufgetürmt, in einem hohen Haufen am Ufer aufgeschichtet. Arme und Beine und zerbrochene Waffen ragten aus den letzten Nebelfetzen heraus. Sie waren überall. Mit Pfeilen gespickt, mit Schwertern erstochen, mit Äxten zerfleischt. Krähen ließen ihre Schreie ertönen, während sie von einer Mahlzeit zur nächsten hüpften. Heute war ein guter Tag für die Krähen. Es war schon eine Weile her, dass Hundsmann ein richtiges Schlachtfeld gesehen hatte, und der Anblick löste einige bittere Erinnerungen aus. Fürchterlich bittere.
    »Scheiße«, sagte er wieder. Ihm fiel nichts anderes ein.
    »Ich nehme an, die Unionsmänner kamen diese Straße entlangmarschiert«, sagte Dreibaum mit gerunzelter Stirn. »Wahrscheinlich hatten sie es eilig. Versuchten wohl, Bethod zu überraschen.«
    »Sieht aus, als hätten sie das Gelände nicht gut genug ausgekundschaftet«, grollte Tul Duru. »Und dann hat Bethod sie wohl überrascht.«
    »Vielleicht war es neblig«, sagte der Hundsmann. »So wie heute.«
    Dreibaum zuckte die Achseln. »Vielleicht. Ist ja die Jahreszeit dafür. Jedenfalls waren sie auf der Straße, in einer Kolonne, müde nach einem langen Tagesmarsch. Bethod hat sie von hier aus angegriffen, und von dort drüben, vom Hügelkamm. Zuerst mit Pfeilen, um die Kolonne aufzubrechen, dann mit den Carls, die brüllend und zu allem entschlossen von den Hängen ins Tal vorgestoßen sind. Die Unionstruppen sind schnell auseinander gebrochen, vermute ich.«
    »Verdammt schnell«, sagte Dow.
    »Und dann folgte ein Gemetzel. Schutzlos auf der Straße, vor dem Ufer eingekesselt. Kaum noch Fluchtmöglichkeiten. Männer, die hastig versuchen, ihre Rüstungen abzuwerfen, oder in voller Montur den Fluss durchschwimmen wollen. Die in Panik geraten und übereinanderstürzen, während ihnen die Pfeile um die Ohren fliegen. Einige haben es vielleicht sogar bis in das Wäldchen da vorn geschafft, aber wie ich Bethod kenne, hatte er dort sicher ein paar Reiter versteckt, die dann den Rest besorgt haben.«
    »Scheiße«, sagte Hundsmann, dem mehr als nur ein bisschen schlecht war. Er hatte auch schon auf der Verliererseite eines solchen Gemetzels gestanden, und die Erinnerungen daran waren alles andere als angenehm.
    »Sauber wie eine gerade Naht«, sagte Dreibaum. »Das muss man Bethod, diesem Drecksack, lassen, er versteht sein Handwerk wie kein anderer.«
    »Ist das nun schon das Ende, Häuptling?«, fragte Hundsmann. »Hat Bethod bereits gewonnen?«
    Dreibaum schüttelte den Kopf, ganz ruhig und langsam. »Es gibt ziemlich viele Südländer. Jede Menge. Die meisten leben auf der anderen Seite des Meeres. Es heißt, da gibt es mehr von ihnen, als man zählen kann. Mehr Menschen, als es Bäume im Norden gibt. Es wird vielleicht eine Weile dauern, aber sie werden kommen. Das ist nur der Anfang.«
    Der Hundsmann blickte auf das feuchte Tal, auf all die toten Männer, die zusammengekrümmt, ausgestreckt oder verdreht am Boden lagen und jetzt nichts weiter waren als Futter für die Krähen. »Ein ziemlich übler Anfang, jedenfalls für sie.«
    Dow rollte seine Zunge ein und spuckte aus, so geräuschvoll er konnte. »Zusammengetrieben und abgeschlachtet wie ’ne Herde Schafe! Willst du so draufgehen, Dreibaum? Hä? Willst du dich wirklich auf deren Seite stellen? Scheiß-Union! Die verstehen ja überhaupt nichts vom Krieg!«
    Dreibaum nickte. »Dann werden wir ihnen wohl etwas beibringen müssen.«
     
    Vor den Toren drängte sich eine große Menschenmenge. Es waren Frauen, ausgemergelt und mit hungrigem Blick. Es waren Kinder, zerlumpt und dreckig. Es waren Männer, alte und junge, die schweres Gepäck geschultert hatten oder Ausrüstung umklammert hielten. Einige hatten Maultiere oder Karren dabei, die sie schoben und auf denen sich allerlei nutzlos aussehendes Zeug stapelte. Holzstühle, Zinntöpfe, Ackergeräte. Viele hatten gar nichts außer ihrem Elend. Der Hundsmann vermutete, dass es zumindest davon reichlich gab.
    Sie verstopften die Straße mit ihren Körpern und ihrem Gerümpel. Selbst die Luft schien dick vor Bitten und Drohungen. Hundsmann konnte ihre Angst riechen, die ihm so dickflüssig wie Suppe in die Nase stieg.
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