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Fernsehkoeche kuesst man nicht

Fernsehkoeche kuesst man nicht

Titel: Fernsehkoeche kuesst man nicht
Autoren: Nikola Hotel
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für ein Zeug gegeben?«, fragte er plötzlich. »Irre!«
    »Das war Propofol.«
    »Kann man das irgendwo kaufen?«
    Entgeistert starrte ich ihn an. »Das ist das Zeug , das Michael Jackson umgebracht hat«, erklärte ich konsterniert. »Natürlich kann man das nicht einfach so irgendwo kaufen!«  
    »Schade.«
    »Wie fühlen Sie sich denn?«
    »Wunderbar. Wie neugeboren.«
    Das wunderte mich nicht, und es passte auch irgendwie, schließlich hatten Neugeborene auch keine Zähne. Fahrig kramte ich nach dem Telefon in meiner Kitteltasche und wählte dann die 238.
    »Herr Richter kann jetzt aus dem Aufwachraum abgeholt werden«, blies ich in den Hörer und legte sofort wieder auf. Dann überlegte ich, wie ich ihm das mit seinem Zahn schonend beibringen konnte. Tut mir leid, Sie hatten einen akuten Anfall von Zahnschwäche? Oder: Die bösen Zwillinge Karius und Baktus haben eben eine Party gefeiert, und dabei ist etwas zu Bruch gegangen? Aber jede weitere Überlegung wurde von Professor Straubing unterbrochen, der an Raphaels Bett trat und ihm jovial auf die Schulter klopfte.  
    »Alles perfekt gelaufen«, brummte er. »Wir haben den kleinen Drecksack erwischt und abgeschnitten. Stumpf ist versenkt, Fäden lösen sich von alleine auf.« Er klang in etwa so leutselig wie ein betrunkener Seemann.
    »In drei Tagen können Sie nach Hause. Und das mit Ihrem Zahn erklärt Ihnen jetzt mal die junge Dame hier!« Er gab mir einen Schubs ins Kreuz, bevor er sich verabschiedete. Raphael warf mir einen fragenden Blick zu. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber gleich wieder.
    »Äh«, machte ich.
    In Raphaels Kopf dämmerte es wohl. Seine Zunge schob sich zwischen den Lippen hervor und tastete die obere Zahnreihe ab. Als sie den Rest des Schneidezahns erreicht hatte, blieb sie hängen. Seine Augen weiteten sich. Wie zur Kontrolle fuhr seine Zunge über die untere Zahnreihe. Völlig fasziniert von diesem Schauspiel hielt ich den Atem an. Sein Hirn arbeitete nur langsam, was kein Wunder war, schließlich war er vom Narkosemittel noch ziemlich benebelt.
    »Was?«, brachte er hervor.
    »Es tut mir …«, begann ich. Da ging die Schiebetür auf und eine Schwester der chirurgischen Station betrat den Raum, um den Patienten abzuholen. Kuttenkeulers eindringliche Worte kamen mir in Erinnerung, die mir befohlen hatten, niemals einen Fehler zuzugeben, und ich schwenkte um: »Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass Sie einen Zahnschaden haben?«
    »Was für einen Zahnschaden denn?«, fragte er verblüfft.
    Um meine Unsicherheit zu überspielen, plapperte ich weiter. »Wissen Sie eigentlich, wie gefährlich das ist? Der Zahn hätte Ihnen auch in den Rachen rutschen können! Was für ein Glück, dass ich so schnell reagiert habe, um das zu verhindern!«  
    »Wie? Und jetzt soll ich auch noch daran schuld sein?«, keuchte er.
    Auf die Frage ging ich nicht ein. »Ich bin darauf angewiesen, dass mir der Patient die Wahrheit sagt. Wenn Sie so etwas Elementares verheimlichen, dann kann ich Ihnen nicht mehr vertrauen!«
    Das war wohl doch eine Spur zu dick aufgetragen.
    »Ich meine … Ist ja noch mal gut gegangen. Ich, äh, würde Ihnen empfehlen, morgen früh schon mal bei Ihrem Zahnarzt einen Termin zu machen, damit Sie«, ich befingerte den Zahn in meiner Kitteltasche, »schnellstmöglich eine Leiter, ich meine, eine Brücke oder so bekommen.«
    »Eine Brücke?« Er richtete sich im Bett auf. Sein Kaumuskel mahlte wie wild. Es sah aus, als würde er mich gleich anspringen, um mir den Kopf abzubeißen. Und das konnte ich ihm nicht einmal verübeln. Schließlich hatte ich ihn verunstaltet, nur weil ich unaufmerksam gewesen war und seine Stimmritze angeschmachtet hatte.
    »Bevor Sie mich in die Finger bekommen haben, hatte ich zweiunddreißig gesunde Zähne!«
    »Achtundzwanzig«, purzelte es über meine Zunge.
    »Was?«
    »Sie hatten nur achtundzwanzig Zähne. Ich weiß ja nicht, wann es passiert ist, aber irgendwann muss man Ihnen die Weisheitszähne rausoperiert haben.«
    Raphael fing an zu dampfen. »Nun gut, dann eben achtundzwanzig! Und jetzt sind es siebenundzwanzig. Was genau haben Sie mit mir –«
    »Um korrekt zu bleiben, siebenundzwanzig und einhalb«, unterbrach ich ihn.
    Er machte Anstalten, aus dem Bett zu springen.
    »Halt!«, rief ich aus. »Denken Sie an Ihre OP! Sie können noch nicht –«
    Er schwankte. Dann kippte er rücklings auf die Matratze. Seine nackten Beine baumelten über den Bettrand.
    »Der ist
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