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Fernsehkoeche kuesst man nicht

Fernsehkoeche kuesst man nicht

Titel: Fernsehkoeche kuesst man nicht
Autoren: Nikola Hotel
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schloss die Augen. Er sah wirklich gut aus. So gut, dass ich mir sicher war, er würde sich wohl kaum länger mit mir unterhalten, wenn er nicht gerade schmerzgepeinigt und auf meine Hilfe angewiesen wäre.
    Ich ließ die leere Spritze in den Abwurfbehälter fallen. »Wann haben Sie das letzte Mal etwas gegessen? Ungefähr«, fügte ich hinzu.
    »Ich weiß nicht. Wie spät ist es jetzt?«
    »Kurz vor drei.«
    »Dann ist es zwei Stunden her. Aber das habe ich schon wieder von mir gegeben.«
    »Na gut, Herr Richter. Ich muss Sie nun über die Narkose aufklären«, begann ich.
    »Kann man das Ganze nicht abkürzen?« Er drehte sein Gesicht zur Wand. Mir wäre wesentlich wohler gewesen, wenn mein Oberarzt, Dr. Kuttenkeuler, diesen Fernsehkoch aufgeklärt hätte. Denn wie es aussah, interessierte es meinen Patienten nicht die Bohne, was ich gleich mit ihm anstellen würde.
    »Ich werde Sie intubieren müssen. Das heißt, dass ich Ihnen einen Beatmungsschlauch durch die Luftröhre schiebe und dabei –«
    »Interessant.«
    Ich ignorierte seinen sarkastischen Tonfall und leierte weiter meinen Text herunter: »Aufgrund der Intubation kann es zu Halsschmerzen und Heiserkeit kommen, das geht aber im Normalfall nach wenigen Stunden wieder weg. Bleibende Stimmbandschädigungen sind wirklich sehr selten. Haben Sie irgendwelche Zahnschäden?«
    »Sehe ich so aus, als hätte ich welche?«, fragte er und bleckte die Zähne.
    »Puh, nein. Natürlich nicht«, bestätigte ich. Seine selbstgefällige Art ließ ein Kribbeln in mir hochsteigen. Deshalb ließ ich mich auch zu folgendem Satz hinreißen: »Aber bei Prominenten weiß man ja nie, was an ihnen echt ist.«
    Er lächelte süffisant. »An mir ist alles echt.«
    An mir auch! , dachte ich und warf einen kurzen Blick auf meine mickrigen A-Körbchen. Als ich hochsah, bemerkte ich, dass er meinem Blick gefolgt war. Spontan schoss mir die Hitze in den Kopf.  
    »Trinken Sie Alkohol?«, warf ich viel zu hastig ein, um diesen peinlichen Moment zu überspielen.
    »Selbstverständlich.«
    »Und wie viel? Ich meine, so am Tag?«
    »Das kommt drauf an. Selten mehr als ein, zwei Gläser Wein.«
    »Aha.« Ich kritzelte »regelmäßiger Alkoholmissbrauch« auf den Bogen. »Und wie sieht es mit Zigaretten aus?«
    »Rauchen verdirbt die Geschmacksnerven, das würde ich nie machen.« Er kratzte sich am Kinn. »Außer an Silvester vielleicht. Ab und an mal eine Zigarre, wenn es was zu feiern gibt.« Er sah aus, als zählte er im Geiste die feierlichen Augenblicke seines Lebens nach.
    »Ist schon gut«, unterbrach ich seine Gedanken und schrieb »Nikotin-Abusus« auf das Blatt.
    »Hier.« Ich legte ihm den Aufklärungsbogen samt Kuli auf die Ablage. »Sie müssen nur noch unterschreiben, dann kann es gleich losgehen.«
    »Moment!«
    Jetzt war er anscheinend doch verunsichert.
    »Was ist, wenn ich ab und zu etwas anderes zu mir nehme. Also nicht rauche, sondern etwas esse, was manche, nun ja, rauchen würden?«
    Ich riss die Augen auf. Er wollte mir damit doch wohl nicht sagen, dass er Haschplätzchen knabberte?
    »D-das wird schon«, stotterte ich.
    Ich sah auf die Uhr an meinem Handgelenk. Straubing konnte furchtbar ungemütlich werden, wenn er zu lange warten musste, und ich besaß heute nicht mehr die Kraft, mich gegen seine herrische Art durchzusetzen.
    Der Fernsehkoch hatte sich über den Bogen gebeugt und seine Unterschrift neben das Datum gesetzt. Die beiden schwungvollen Rs nahmen dabei fast den ganzen Platz ein. Was dachte er eigentlich, wo er hier war? Bei einer Autogrammstunde? Ich griff nach dem Zettel und schob ihn in seine Akte.
    »Ach, Schwester!«, rief er aus, als ich mich bereits zum Gehen gewandt hatte.
    »Frau Dr. Henning.«
    »Auch gut.« Er winkte ab. »Wann geht es los?«
    »In fünf Minuten liegen Sie auf dem Tisch.« Ich konnte mir ein Lächeln nicht verbeißen. Das hatte ich schon immer mal sagen wollen.

Risotto und Liebe
     
    Aus »Das Rezept seines Erfolgs: Raphael Richter – eine Biografie« von Barbara Olivier
     
    Niemand, der Raphael Richter als Kind gekannt hatte, hätte daran zweifeln können, dass er einmal einer der erfolgreichsten Köche Deutschlands werden würde.
    Als er fünf Jahre alt war, kochte er im Kindergarten mit Hingabe ein Risotto auf dem kleinen Holzherd. Die Erzieherinnen lächelten verhalten. Sie mochten ihn, weil er mit seinen dunkelblonden Locken hinreißend aussah, aber sie beobachteten mit Argwohn seine Neigung zu weiblichen Rollenspielen.
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