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Ferien mit Patricia

Ferien mit Patricia

Titel: Ferien mit Patricia
Autoren: Paul Gallico
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fabelhafte Tänzerin und hatte ein Wesen, das einem nie auf die Nerven fiel. Dort hatten sie gesessen und ihr schal schmeckendes Getränk geschlürft. Er hatte dabei an Catharine gedacht und an die Tanzabende im Landklub daheim, wenn der Rauchdunst des Herbstes von draußen hereinwehte und sich mit dem Duft ihres Haares mischte.
    Es war gar nichts dabei, Pat so allein zu lassen und den eigenen Gedanken nachzuhängen, denn es schien, daß auch sie eine Art inneres Leben führte, das in ihren grauen Augen und in ihren Mundwinkeln zum Ausdruck kam, seltsame Lichter und Gluten, die kamen und erloschen, und Schatten, die verweilten und vorüberzogen wie sanfte Wolken an einem Sommerhimmel. Und sobald er sich ihr wieder zuwandte, war sie ganz wieder da, und der seltsame Ernst ihres Ausdrucks verwandelte sich wieder in Helle und Freundlichkeit. Er fragte sich, was für ein Gesicht sie wohl machen würde, wenn er so kaltblütig mit der Tür ins Haus fiele.
    »Aber ich will dir noch etwas sagen«, fuhr der Major in ernstem Ton fort, »wenn sie dann kommen, muß man ihnen von Anfang an klaren Wein einschenken, daß damit nichts von Dauer gemeint ist, verstanden? Gute Kameradschaft, solange man zusammen ist, und dann noch einen Kuß und einen Klaps und damit, aus! Zum Teufel, man will sich doch mit ihnen nicht für immer einlassen. Aber es gibt gar keine Geschichten, wenn man bereits vor der Abfahrt die Sache abmacht. Die meisten von ihnen sind hundertprozentig. Keine Tränen, keine Schererei! Bums, Schluß...«
    Der Major kratzte von seinem Geld noch zusammen, was übriggeblieben war, steckte es in die Tasche, sagte: »Okay, mein Lieber«, und klopfte Jerry auf den Rücken. »Viel Vergnügen! Und denk daran... von Anfang an... kaltblütig.« Plötzlich drehte er sich um und schritt davon.
    Sam Bognano hatte die letzten Worte noch aufgeschnappt und fragte: »Was heißt kaltblütig? Von was sprach er?«
    Mit einem kleinen Stirnrunzeln antwortete Jerry: »Von nichts. Ich habe jetzt genug getrunken, wir wollen essen.«

    In der Nacht, als Jerry in seiner Unterkunft, die er mit Sam Bognano teilte, auf seinem Feldbett lag, dachte er an den vor ihm liegenden Urlaub, an zu Hause, an Catharine, an Pat, an seine Eltern, an Westbury und wie sich einmal das Leben gestalten würde, wenn der Krieg vorüber war, und an das, was ihm Major Harrison gesagt hatte, und dann wieder an Pat.
    Sonst pflegte er bei Sam Bognano sein Herz zu erleichtern, und Nacht für Nacht hatten die beiden ihre Gedanken, ihre Probleme, ihre einfache Lebensphilosophie, ihre Befürchtungen und Zweifel, ihre Gefühle für dieses oder jenes Mädchen und ihre Zukunftspläne miteinander besprochen. Aber es schien Jerry, daß er über den Plan, der alle anderen Gedanken verdrängte, Pat auf seinen Erholungsurlaub mitzunehmen, nicht sprechen konnte.
    Mehr als der Gedanke an Pat regte ihn der Plan an sich auf. Pat war ihm nur in den Sinn gekommen, weil gerade sie so gut dafür paßte. Und mit einem so schlichten und ruhigen Mädchen wie Pat würde es nicht einmal einen Betrug an Catharine bedeuten. Es wäre nichts weiter als eine Kriegsepisode, die man mit alldem übrigen, was man sah und hörte, mit all den Ängsten und Kümmernissen hinter sich lassen würde, sobald der Krieg einmal zu Ende war.
    Keineswegs hätte er mit einer Schönheit oder einer Frau, die ihn hätte fesseln können oder die sonst irgendwie bedeutend gewesen wäre, wegfahren wollen, denn diese wäre ihm wie eine Nebenbuhlerin Catharines erschienen. Nach dem Moralkodex, der ihm zu Hause eingetrichtert worden war, wäre dies einer großen Unehrlichkeit gleichgekommen. Im übrigen war es ja auch völlig ausgeschlossen, für irgend jemanden dasselbe zu empfinden wie für Catharine Quentin. Und zudem waren sie verlobt. Die tiefe und unermeßliche Dankbarkeit ihr gegenüber, weil sie ihn liebte, erwies sich immer als Hemmnis.
    Die beiden Familien, die ihre und die seine, wohnten ganz nahe beieinander in der ruhigen, vornehmen Severn-Avenue in Westlake Park bei Westbury und waren schon seit langem miteinander befreundet. Helen, Jerrys Mutter, und Millicent, Catharines Mutter, waren in St. Louis zusammen aufgewachsen, und es war besonders dem Einfluß seiner Mutter zu verdanken, daß sich Millicent Quentin entschlossen hatte, in ihrer Nähe ein Haus zu kaufen, als sie von St. Louis wegzogen.
    Beide Familien waren die verkörperte Rechtschaffenheit. Jerry war sich dessen wohl bewußt, obgleich er es nie hätte in
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