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FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

Titel: FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
Autoren: Tim Weiner
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sich zum zweiten Mal einschiffte, ernannte er einen alten politischen Verbündeten zum neuen Justizminister.
    A. Mitchell Palmer, ein stattlicher, siebenundvierzig Jahre alter dreimaliger Kongressabgeordneter aus Pennsylvania, war ein pazifistischer Quäker und ein gewandter Redner, flexibel in seinen Grundsätzen und mit großen Ambitionen. Ein hochrangiges Mitglied des Democratic National Committee, der landesweiten Organisation der Demokratischen Partei, war er beim Nominierungsparteitag der Demokraten 1912 Wilsons Wahlkampfmanager gewesen. 1918 hatte er das Alien Property Office (das »Amt für Feindvermögen«) des Justizministeriums nach Gutsherrenart geleitet und Freunden und Unterstützern beschlagnahmtes deutsches Vermögen und Patente im Wert von Millionen Dollar übertragen. Jetzt ergriff er die Chance, die Leitung des Justizministeriums zu übernehmen.
    Palmer hatte ein großes Ziel vor Augen. Er träumte davon, der nächste Präsident der Vereinigten Staaten zu werden.
    »Wir werden euch in die Luft sprengen!«
    Ende April 1919 wurden sechsunddreißig braune Packpapierpakete mit Dynamit von der Post befördert. Sie waren Teil des größten politischen Mordkomplotts in der Geschichte der Vereinigten Staaten.
    Am 29. April erreichte die erste Bombe das Haus von Thomas W. Hardwick in Atlanta, der soeben seinen Sitz als US-Senator für Georgia aufgegeben hatte. Hardwick hatte sich für den Anarchist Exclusion Act, das Anarchistenausschlussgesetz, starkgemacht, das die Deportation radikaler Ausländer erlaubte. Die Bombe riss seiner Haushälterin die Hände ab.
    Keines der Pakete erreichte das designierte Opfer. Ein Postbediensteter in New York entdeckte im Regal für Nachporto 16 dieser Briefbomben: Die Attentäter hatten die Pakete nicht ausreichend frankiert. Die potentiellen Mörder, offenkundig halbe Analphabeten, hatten die Namen einiger Empfänger falsch geschrieben. Doch die Liste der mutmaßlichen Anschlagsopfer war ausgeklügelt.
    Ganz oben stand Justizminister Palmer, gefolgt von Oliver Wendell Holmes, dem Richter am Obersten Gerichtshof, und von Richter Kenesaw Mountain Landis, der mehr als hundert Urteile nach dem Spionagegesetz gefällt hatte. Auch fünf Kongressabgeordnete standen auf der Todesliste, unter ihnen Senator Overman; weiterhin der Arbeitsminister und der Einwanderungsbeauftragte, die beide für Ausweisungen nach dem Anarchist Exclusion Act verantwortlich waren, sowie der Bürgermeister und der Chef der New Yorker Polizei. Am prominentesten waren die führenden Bankiers John D. Rockefeller und J. P. Morgan. Am wenigsten bekannt war der Agent des Bureau of Investigation Rayme Finch, ein dicklicher Neunundzwanzigjähriger mit Halbglatze.
    Finch hatte monatelang Mitglieder einer Gruppe italienischer Anarchisten gejagt, deren Anführer Luigi Galleani war, der Gründer der anarchistischen Zeitung Cronaca sovversiva . Rund 50 seiner Anhänger nahmen seinen Aufruf zur blutigen Revolution, zu politischen Attentaten und Sprengstoffanschlägen wörtlich, um Angst und Schrecken unter der herrschenden Klasse zu verbreiten. Gebildetere Revolutionäre zogen einen klaren Trennstrich zwischen der Propaganda des Worts und der Propaganda der Tat. Galleani war ein Mann der Tat.
    Finch und eine Handvoll seiner Kollegen im Bureau of Investigation hatten eine Spur vom Ohio-Tal bis zum Atlantik verfolgt, was an einem Tag im Februar 1918 mit einer Razzia gegen das Büro der Cronaca sovversiva in Lynn, Massachusetts, endete. Die Razzia führte zu Galleanis Verhaftung und ein Jahr später zu einem Gerichtsbeschluss, der die Deportation Galleanis und acht seiner engsten Gefolgsleute nach dem neuen Anarchistenausschlussgesetz vorsah. Ende Januar 1919 ging Galleani in die letzte Berufung, als in den Textilstädten von Massachusetts und Connecticut ein Flugblatt erschien, das von den »amerikanischen Anarchisten« unterzeichnet war. Es kündigte einen »Blut- und Feuersturm« an.
    »Die Deportation wird nicht verhindern, dass der Sturm diese Ufer erreicht«, hieß es darin. »Deportiert uns! Wir werden euch in die Luft sprengen!«
    In der Nacht zum 2. Juli 1919 gingen in sieben Städten neun weitere Bomben hoch. Auch diesmal überlebten die Personen, die Ziel der Anschläge hätten werden sollen, unter ihnen ein New Yorker Stadtrichter. Ein Nachtwächter, der auf der Straße unterwegs war, wurde getötet. In Cleveland sollte der Bürgermeister, in Pittsburgh ein Richter an einem Bundesgericht und ein
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