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Faust: Der Tragödie erster Teil

Faust: Der Tragödie erster Teil

Titel: Faust: Der Tragödie erster Teil
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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die was davon erkannt,
  Die töricht g'nug ihr volles Herz nicht wahrten,
  Dem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten,
  Hat man von je gekreuzigt und verbrannt.
  Ich bitt Euch, Freund, es ist tief in der Nacht,
  Wir müssen's diesmal unterbrechen.
      WAGNER:
  Ich hätte gern nur immer fortgewacht,
  Um so gelehrt mit Euch mich zu besprechen.
  Doch morgen, als am ersten Ostertage,
  Erlaubt mir ein' und andre Frage.
  Mit Eifer hab' ich mich der Studien beflissen;
  Zwar weiß ich viel, doch möcht' ich alles wissen.
  (Ab.)
      FAUST (allein):
  Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,
  Der immerfort an schalem Zeuge klebt,
  Mit gier'ger Hand nach Schätzen gräbt,
  Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!
      Darf eine solche Menschenstimme hier,
  Wo Geisterfülle mich umgab, ertönen?
  Doch ach! für diesmal dank ich dir,
  Dem ärmlichsten von allen Erdensöhnen.
  Du rissest mich von der Verzweiflung los,
  Die mir die Sinne schon zerstören wollte.
  Ach! die Erscheinung war so riesengroß,
  Daß ich mich recht als Zwerg empfinden sollte.
      Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon
  Ganz nah gedünkt dem Spiegel ew'ger Wahrheit,
  Sein selbst genoß in Himmelsglanz und Klarheit,
  Und abgestreift den Erdensohn;
  Ich, mehr als Cherub, dessen freie Kraft
  Schon durch die Adern der Natur zu fließen
  Und, schaffend, Götterleben zu genießen
  Sich ahnungsvoll vermaß, wie muß ich's büßen!
  Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.
      Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen;
  Hab ich die Kraft dich anzuziehn besessen,
  So hatt ich dich zu halten keine Kraft.
  In jenem sel'gen Augenblicke
  Ich fühlte mich so klein, so groß;
  Du stießest grausam mich zurücke,
  Ins ungewisse Menschenlos.
  Wer lehret mich? was soll ich meiden?
  Soll ich gehorchen jenem Drang?
  Ach! unsre Taten selbst, so gut als unsre Leiden,
  Sie hemmen unsres Lebens Gang.
      Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen,
  Drängt immer fremd und fremder Stoff sich an;
  Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen,
  Dann heißt das Beßre Trug und Wahn.
  Die uns das Leben gaben, herrliche Gefühle
  Erstarren in dem irdischen Gewühle.
      Wenn Phantasie sich sonst mit kühnem Flug
  Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,
  So ist ein kleiner Raum ihr nun genug,
  Wenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert.
  Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,
  Dort wirket sie geheime Schmerzen,
  Unruhig wiegt sie sich und störet Lust und Ruh;
  Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu,
  Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen,
  Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift;
  Du bebst vor allem, was nicht trifft,
  Und was du nie verlierst, das mußt du stets beweinen.
      Den Göttern gleich ich nicht! zu tief ist es gefühlt;
  Dem Wurme gleich ich, der den Staub durchwühlt,
  Den, wie er sich im Staube nährend lebt,
  Des Wandrers Tritt vernichtet und begräbt.
      Ist es nicht Staub, was diese hohe Wand
  Aus hundert Fächern mit verenget?
  Der Trödel, der mit tausendfachem Tand
  In dieser Mottenwelt mich dränget?
  Hier soll ich finden, was mir fehlt?
  Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen,
  Daß überall die Menschen sich gequält,
  Daß hie und da ein Glücklicher gewesen?-
  Was grinsest du mir, hohler Schädel, her?
  Als daß dein Hirn, wie meines, einst verwirret
  Den leichten Tag gesucht und in der Dämmrung schwer,
  Mit Lust nach Wahrheit, jämmerlich geirret.
  Ihr Instrumente freilich spottet mein,
  Mit Rad und Kämmen, Walz und Bügel:
  Ich stand am Tor, ihr solltet Schlüssel sein;
  Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.
  Geheimnisvoll am lichten Tag
  Läßt sich Natur des Schleiers nicht berauben,
  Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,
  Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.
  Du alt Geräte, das ich nicht gebraucht,
  Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte.
  Du alte Rolle, du wirst angeraucht,
  Solang an diesem Pult die trübe Lampe schmauchte.
  Weit besser hätt ich doch mein Weniges verpraßt,
  Als mit dem Wenigen belastet hier zu schwitzen!
  Was du ererbt von deinen Vätern hast,
  Erwirb es, um es zu besitzen.
  Was man nicht nützt, ist eine schwere Last,
  Nur was der Augenblick erschafft,
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