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Faust: Der Tragödie erster Teil

Faust: Der Tragödie erster Teil

Titel: Faust: Der Tragödie erster Teil
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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Übermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf?
  Wo ist die Brust, die eine Welt in sich erschuf
  Und trug und hegte, die mit Freudebeben
  Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben?
  Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang,
  Der sich an mich mit allen Kräften drang?
  Bist du es, der, von meinem Hauch umwittert,
  In allen Lebenslagen zittert,
  Ein furchtsam weggekrümmter Wurm?
      FAUST:
  Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?
  Ich bin's, bin Faust, bin deinesgleichen!
      GEIST:
  In Lebensfluten, im Tatensturm
  Wall ich auf und ab,
  Wehe hin und her!
  Geburt und Grab,
  Ein ewiges Meer,
  Ein wechselndes Wehen,
  Ein glühend Leben,
  So schaff ich am laufenden Webstuhl der Zeit
  Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
      FAUST:
  Der du die weite Welt umschweifst,
  Geschäftiger Geist, wie nah fühl ich mich dir!
      GEIST:
  Du gleichst dem Geist, den du begreifst,
  Nicht mir!
  (verschwindet)
      FAUST (zusammenstürzend):
  Nicht dir?
  Wem denn?
  Ich Ebenbild der Gottheit!
  Und nicht einmal dir!
  (es klopft)
      O Tod! ich kenn's- das ist mein Famulus-
  Es wird mein schönstes Glück zunichte!
  Daß diese Fülle der Gesichte
  Der trockne Schleicher stören muß!
  (Wagner im Schlafrock und der Nachtmütze, eine Lampe in der Hand.
  Faust wendet sich unwillig.)
      WAGNER:
  Verzeiht! ich hör euch deklamieren;
  Ihr last gewiß ein griechisch Trauerspiel?
  In dieser Kunst möcht ich was profitieren,
  Denn heutzutage wirkt das viel.
  Ich hab es öfters rühmen hören,
  Ein Komödiant könnt einen Pfarrer lehren.
      FAUST:
  Ja, wenn der Pfarrer ein Komödiant ist;
  Wie das denn wohl zuzeiten kommen mag.
      WAGNER:
  Ach! wenn man so in sein Museum gebannt ist,
  Und sieht die Welt kaum einen Feiertag,
  Kaum durch ein Fernglas, nur von weitem,
  Wie soll man sie durch Überredung leiten?
      FAUST:
  Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen,
  Wenn es nicht aus der Seele dringt
  Und mit urkräftigem Behagen
  Die Herzen aller Hörer zwingt.
  Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen,
  Braut ein Ragout von andrer Schmaus
  Und blast die kümmerlichen Flammen
  Aus eurem Aschenhäufchen 'raus!
  Bewundrung von Kindern und Affen,
  Wenn euch darnach der Gaumen steht-
  Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,
  Wenn es euch nicht von Herzen geht.
      WAGNER:
  Allein der Vortrag macht des Redners Glück;
  Ich fühl es wohl, noch bin ich weit zurück.
      FAUST:
  Such Er den redlichen Gewinn!
  Sei Er kein schellenlauter Tor!
  Es trägt Verstand und rechter Sinn
  Mit wenig Kunst sich selber vor!
  Und wenn's euch Ernst ist, was zu sagen,
  Ist's nötig, Worten nachzujagen?
  Ja, eure Reden, die so blinkend sind,
  In denen ihr der Menschheit Schnitzel kräuselt,
  Sind unerquicklich wie der Nebelwind,
  Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt!
      WAGNER:
  Ach Gott! die Kunst ist lang;
  Und kurz ist unser Leben.
  Mir wird, bei meinem kritischen Bestreben,
  Doch oft um Kopf und Busen bang.
  Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben,
  Durch die man zu den Quellen steigt!
  Und eh man nur den halben Weg erreicht,
  Muß wohl ein armer Teufel sterben.
      FAUST:
  Das Pergament, ist das der heil'ge Bronnen,
  Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?
  Erquickung hast du nicht gewonnen,
  Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt.
      WAGNER:
  Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen,
  Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen;
  Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht,
  Und wie wir's dann zuletzt so herrlich weit gebracht.
      FAUST:
  O ja, bis an die Sterne weit!
  Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit
  Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.
  Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
  Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
  In dem die Zeiten sich bespiegeln.
  Da ist's denn wahrlich oft ein Jammer!
  Man läuft euch bei dem ersten Blick davon.
  Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer
  Und höchstens eine Haupt- und Staatsaktion
  Mit trefflichen pragmatischen Maximen,
  Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!
      WAGNER:
  Allein die Welt! des Menschen Herz und Geist!
  Möcht jeglicher doch was davon erkennen.
      FAUST:
  Ja, was man so erkennen heißt!
  Wer darf das Kind beim Namen nennen?
  Die wenigen,
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