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Faust: Der Tragödie erster Teil

Faust: Der Tragödie erster Teil

Titel: Faust: Der Tragödie erster Teil
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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auf meine Pein,
  Den ich so manche Mitternacht
  An diesem Pult herangewacht:
  Dann über Büchern und Papier,
  Trübsel'ger Freund, erschienst du mir!
  Ach! könnt ich doch auf Bergeshöhn
  In deinem lieben Lichte gehn,
  Um Bergeshöhle mit Geistern schweben,
  Auf Wiesen in deinem Dämmer weben,
  Von allem Wissensqualm entladen,
  In deinem Tau gesund mich baden!
      Weh! steck ich in dem Kerker noch?
  Verfluchtes dumpfes Mauerloch,
  Wo selbst das liebe Himmelslicht
  Trüb durch gemalte Scheiben bricht!
  Beschränkt mit diesem Bücherhauf,
  den Würme nagen, Staub bedeckt,
  Den bis ans hohe Gewölb hinauf
  Ein angeraucht Papier umsteckt;
  Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt,
  Mit Instrumenten vollgepfropft,
  Urväter Hausrat drein gestopft-
  Das ist deine Welt! das heißt eine Welt!
      Und fragst du noch, warum dein Herz
  Sich bang in deinem Busen klemmt?
  Warum ein unerklärter Schmerz
  Dir alle Lebensregung hemmt?
  Statt der lebendigen Natur,
  Da Gott die Menschen schuf hinein,
  Umgibt in Rauch und Moder nur
  Dich Tiergeripp und Totenbein.
      Flieh! auf! hinaus ins weite Land!
  Und dies geheimnisvolle Buch,
  Von Nostradamus' eigner Hand,
  Ist dir es nicht Geleit genug?
  Erkennest dann der Sterne Lauf,
  Und wenn Natur dich Unterweist,
  Dann geht die Seelenkraft dir auf,
  Wie spricht ein Geist zum andren Geist.
  Umsonst, daß trocknes Sinnen hier
  Die heil'gen Zeichen dir erklärt:
  Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir;
  Antwortet mir, wenn ihr mich hört!
  (Er schlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.)
      Ha! welche Wonne fließt in diesem Blick
  Auf einmal mir durch alle meine Sinnen!
  Ich fühle junges, heil'ges Lebensglück
  Neuglühend mir durch Nerv' und Adern rinnen.
  War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb,
  Die mir das innre Toben stillen,
  Das arme Herz mit Freude füllen,
  Und mit geheimnisvollem Trieb
  Die Kräfte der Natur rings um mich her enthüllen?
  Bin ich ein Gott? Mir wird so licht!
  Ich schau in diesen reinen Zügen
  Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.
  Jetzt erst erkenn ich, was der Weise spricht:
  "Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;
  Dein Sinn ist zu, dein Herz ist tot!
  Auf, bade, Schüler, unverdrossen
  Die ird'sche Brust im Morgenrot!"
  (er beschaut das Zeichen.)
      Wie alles sich zum Ganzen webt,
  Eins in dem andern wirkt und lebt!
  Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen
  Und sich die goldnen Eimer reichen!
  Mit segenduftenden Schwingen
  Vom Himmel durch die Erde dringen,
  Harmonisch all das All durchklingen!
      Welch Schauspiel! Aber ach! ein Schauspiel nur!
  Wo fass ich dich, unendliche Natur?
  Euch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Lebens,
  An denen Himmel und Erde hängt,
  Dahin die welke Brust sich drängt-
  Ihr quellt, ihr tränkt, und schmacht ich so vergebens?
  (er schlägt unwillig das Buch um und erblickt das Zeichen des Erdgeistes.)
      Wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein!
  Du, Geist der Erde, bist mir näher;
  Schon fühl ich meine Kräfte höher,
  Schon glüh ich wie von neuem Wein.
  Ich fühle Mut, mich in die Welt zu wagen,
  Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen,
  Mit Stürmen mich herumzuschlagen
  Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen.
  Es wölkt sich über mir-
  Der Mond verbirgt sein Licht-
  Die Lampe schwindet!
  Es dampft! Es zucken rote Strahlen
  Mir um das Haupt- Es weht
  Ein Schauer vom Gewölb herab
  Und faßt mich an!
  Ich fühl's, du schwebst um mich, erflehter Geist
  Enthülle dich!
  Ha! wie's in meinem Herzen reißt!
  Zu neuen Gefühlen
  All meine Sinnen sich erwühlen!
  Ich fühle ganz mein Herz dir hingegeben!
  Du mußt! du mußt! und kostet es mein Leben!
  (Er faßt das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnisvoll aus.
  Es zuckt eine rötliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme.)
      GEIST:
  Wer ruft mir?
      FAUST (abgewendet):
  Schreckliches Gesicht!
      GEIST:
  Du hast mich mächtig angezogen,
  An meiner Sphäre lang gesogen,
  Und nun-
      FAUST:
  Weh! ich ertrag dich nicht!
      GEIST:
  Du flehst, eratmend mich zu schauen,
  Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehn;
  Mich neigt dein mächtig Seelenflehn,
  Da bin ich!- Welch erbärmlich Grauen
  Faßt
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