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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial
Autoren: Benedict Wells
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und stellte sich
Brad in den Weg. „Los, hau ab!“
    Brad kam auf ihn
zugestürmt. Sie standen sich Nase an Nase gegenüber. Francis überlegte, wie er
ihn beim Ringen besiegt hätte. Brad war nur einen Tick kleiner als er, allerdings
wirkte er nicht sonderlich schwer. Er hätte es mit dem Spaltgriff versucht, ihn
ruckartig bei den Beinen gepackt und hochgerissen. Da Brad aber ziemlich
gehässig sein konnte, wollte er sich nicht um jeden Preis mit ihm anlegen.
Francis lockerte nur die Schultern und blickte ihm in die Augen, bis er wegsah.
    Doch vor seinen Kumpels konnte Brad nicht klein
beigeben. Er blieb direkt vor Francis stehen und grinste. „Ach, Dean, wie
geht's eigentlich deiner Mom?“, fragte er. „Hab gehört, sie hurt wieder überall
in der Gegend rum. Wahrscheinlich wurde sie schon öfter bestiegen als dieses
Rennpferd Seabiscuit!“
    Francis' Schläfen begannen zu pochen. Er dachte
daran, wie sich die Freunde seiner Mutter früher bei ihm hatten einschleimen
wollen, ihm Süßigkeiten oder Spielsachen mitbrachten und danach mit seiner
Mutter nach nebenan gegangen waren, um sie zu ficken. Und wie seine Mom später
am Abend lächelnd zu ihm ins Zimmer gekommen war, ihm durchs Haar gestrichen
und gemeint hatte, dass jetzt alles gut werden würde. Bis sie dann Wochen
später abserviert wurde, heulend auf dem Bett lag und sich irgendetwas
einschmiss.
    Währenddessen hatte er Brad Jennings an der Gurgel
gepackt und ihn so heftig gegen die Spindwand gedrückt, dass es krachte.
Francis hatte bereits mit der Faust ausgeholt, aber im letzten Moment noch
gestoppt. Das Ganze war in wenigen Sekunden passiert und hatte ihn selbst
überrascht. Als er Brad wieder losließ und sein erschrockenes, gerötetes
Gesicht sah, tat ihm sein Ausbruch leid.
    Brad befühlte seinen
Hals, die Augen weit aufgerissen. „Du bist ein Versager“, murmelte er. „Nur ein
scheiß Versager, und das wirst du immer bleiben.“
    Francis tat, als hätte er nichts gehört, doch die
Worte brannten sich in ihm ein. Er zog sich die Kapuze seines Pullovers über
den Kopf und ging nach draußen, um frische Luft zu schnappen. Auf dem Pausenhof
spielten ein paar Schüler Basketball, hinten war die Turnhalle, in der er seine
Ringkämpfe gehabt hatte. Nie würde er den beißenden Geruch der Umkleide
vergessen und die Nervosität kurz vor einem Kampf. Francis war bewusst, dass er
nicht mehr lange auf dieser Schule sein würde und dass sein Leben danach auf
eine Sackgasse zusteuerte. Doch daran dachte er kaum. Das Einzige, woran er
dachte, war ein suizidgefährdetes Mädchen in der Klinik seiner Mutter.
     
    4
     
    Bevor er nach Anne-May suchte, wollte Francis bei
seiner Mom vorbeischauen, auch wenn ein Besuch bei ihr im Moment noch nichts
brachte. Erst musste die Lithiumbehandlung anschlagen, bevor sie langsam
wieder normal sein würde. Das wusste er aus unzähligen Gesprächen mit Ärzten.
Manchmal hatte Francis das Gefühl, unfreiwillig schon zwei Semester Medizin
hinter sich zu haben. Ein Pfleger öffnete ihm die Tür zur Station. An den
Wänden im Flur hingen schlichte Bilder, wieder waren die meisten Türen
geschlossen. Im Schwesternzimmer war niemand, dafür hörte er Gesang aus dem
Musiktherapieraum. Vor Zimmer 039 blieb Francis stehen. Er wollte nicht da rein
und holte noch einmal Luft. Dann klopfte er an und öffnete. Seine Mutter sah
ihn an, als wäre er ein Fremder. Sie saß auf dem Stuhl und klagte, dass die
Vögel draußen auf den Bäumen sie beobachten und sich über sie lustig machen würden.
    Francis trat an das vergitterte Fenster und schaute
nach draußen. Von Vögeln keine Spur. Genauer gesagt waren da noch nicht mal
Bäume. Unterdessen behauptete seine Mutter, dass er Mitglied einer
Verschwörung gegen sie sei und sie zusammen mit seinem Stiefvater Ryan voller
Bosheit in die Klinik gebracht habe, um sie wahnsinnig zu machen.
    Francis hörte sich das schweigend an. Von ihrer Familie
bekam seine Mutter nie Besuch. Geschwister hatte sie keine, und ihre Eltern
hatte sie seit vierundzwanzig Jahren nicht mehr gesehen. In ihrer Kindheit
musste etwas Dunkles vorgefallen sein, da sie bereits als Teenager von zu
Hause abgehauen war. Einmal hatte sie ihm in angetrunkenem Zustand ein paar
Andeutungen über diese Zeit gemacht, und ihm war ganz schlecht geworden. Danach
hatten sie nie mehr davon geredet. Er hatte erst wieder etwas von ihrer
Verwandtschaft gehört, als ihm ein Arzt davon erzählte. „In der Familie Ihrer
Mutter gab es einige
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