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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 17 Madoka

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 17 Madoka

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 17 Madoka
Autoren: Martin Clauß
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Minuten lang tranken sie stumm ihren Tee, ohne dass sich ihre Blicke ein einziges Mal kreuzten, und Madoka hoffte inständig, dass ihr Vater bald auftauchen würde.
    „Das bleibt doch unser Geheimnis, nicht wahr?“, fragte Tamie nach dem zehnten Räuspern kleinlaut. „Wenn irgendjemand in der Klasse davon erfährt, dann …“ Noch immer sah sie an Madoka vorbei, saß starr und aufrecht in dem Sessel, in den sie gesetzt worden war.
    Madoka wollte automatisch bejahen. Dann hielt sie ein und dachte nach. Auf Tamies Stirn bildeten sich dicke Schweißperlen, und ihr Gesicht bekam rote Flecken vor Aufregung.
    „Natürlich“, antwortete Madoka schließlich. „Aber du musst mir auch einen Gefallen tun.“
    „Ja?“ Das Mädchen schluckte.
    Madoka erklärte ihr, was sie sich vorstellte, und im ersten Moment schien es, als würde Tamie erschrocken ablehnen. Doch dann nickte sie mit ernster Miene. „Ich werde es versuchen. Was ist, wenn er es merkt?“
    „Denk einfach nicht daran. Verwöhne ihn so, dass er es nicht merken würde, wenn ihm jemand das Haus unter dem Hintern wegstiehlt.“
    Mit knallrotem Gesicht sah das Mädchen in der Schuluniform zu Boden.
    Wenige Minuten später kam Dr. Andô nach Hause. Als er sah, dass seine Tochter mit seinem … Gast Tee trank, blickte er überrascht auf die Uhr und machte ein betretenes Gesicht. „Es tut mir leid. Ich wollte dir nicht zumuten, dass … Ich bin ein schrecklicher Vater.“
    „Du mutest mir nichts zu“, sagte Madoka unterkühlt. „Du bist ein hart arbeitender Mann. Wir haben uns nett unterhalten, ich und … und … wie war noch gleich der Name?“
    Tamie erhob sich schweigend, stellte sich in die Nähe der Wand, als würde sie sich schämen, in die Intimität der Familie eingedrungen zu sein. Vater öffnete die Krawatte und verschwand in Richtung Schlafzimmer.
    Madoka nickte Tamie zu, ihm zu folgen.
    Und das Mädchen tat es. In ihren weißen Strümpfen, den Kopf noch immer gesenkt, ging sie hinter Dr. Andô her.

2
    Japan, 2004
    Bei der detaillierten Beschreibung, die Kaori von ihrem Angreifer geben konnte, war es kaum zu glauben, dass sie ihm nur zwei, drei Sekunden gegenübergestanden hatte. Sie beschrieb einen großen, hageren Mann in weiter, blauer Arbeitskleidung, wie sie Fischer trugen. Sein Gesicht war von einer Leinenmaske unkenntlich gemacht. In jeder Hand hielt er ein Messer, beide seltsam geschwungen und spitz zulaufend.
    Sam zeichnete eine Form auf den Boden, und das Mädchen nickte.
    „Ein Fischermesser“, bestätigte der Junge. Während Kaori weitere Details aufzählte, die ihr im Gedächtnis geblieben waren, unterbrach er sie plötzlich: „Hat er etwas gesagt? Irgendetwas?“
    Kaori blickte ihn an. „Nein, aber er stach mit einem der Messer nach mir.“ Noch immer vor Aufregung keuchend, zeigte sie auf eine Stelle an ihrem linken Oberarm, wo ihre Bluse einen zehn Zentimeter langen Schnitt aufwies. Die Haut darunter war nicht einmal angekratzt.
    „Was passiert mit uns?“, fragte eines der Mädchen. „Wer ist das, und was will er?“
    „Er ist wahnsinnig“, sagte Kaori. „Ich habe seine Augen gesehen.“
    „Dann kommt er vielleicht von einer der anderen Stationen“, vermutete ein Junge. „Sind nicht auch Verrückte hier untergebracht? Ich meine … Leute, die wirklich Wahnvorstellungen haben und so?“
    Eine Diskussion brach aus, über die Patienten in den anderen Stationen. Und über die Möglichkeit, dass einer von ihnen sich hier einschlich, die Pfleger nach draußen schickte, sich zudem noch ihre Schlüssel schnappte und Messer einschleppte.
    „Und Fischköder“, ergänzte Nami.
    „Unmöglich“, meinte Sam. „Absolut unmöglich. Die Glotzer würden uns nicht freiwillig diesem Kerl überlassen.“
    Einer der Jungen kratzte sich am Kopf. „Er muss sie irgendwie ausgetrickst haben.“
    „Vielleicht sind sie gar nicht hinausgegangen“, hauchte Kaori.
    „Was meinst du damit?“
    „Vielleicht haben sie die Station nicht verlassen. Der Kerl könnte sie überwältigt haben.“
    „Überwältigt … und dann?“
    „Weiß ich nicht. Möglicherweise liegen sie verschnürt und geknebelt in den Einbauschränken. Beziehungsweise ihre Leichen.“
    Ein Mädchen kreischte, und es brauchte viel Geduld, um sie zu beruhigen.
    „Wir sollten mit unseren Theorien etwas vorsichtiger sein“, mahnte Sam. „Es bringt nichts, uns fertig zu machen.“
    Für einige Minuten herrschte Schweigen. Sie sahen alle Kaori an, wie um in ihren Augen eine
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