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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 11 Herrenlose Bestien

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 11 Herrenlose Bestien

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 11 Herrenlose Bestien
Autoren: Martin Clauß
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das Mädchen vielleicht nicht nur verjagen wollen, sondern ernsthaft versucht, es zu töten.
    Wenn es sich so verhielt, war Artur der Wirtskörper einer mörderischen Macht gewesen. Er war nach Falkengrund gekommen, um das Geheimnis seines Schutzengels zu lüften – was er sich schrecklich einfach vorgestellt hatte: ein Gespräch mit einer Person, die sich in solchen Dingen auskannte, eine Befragung unter Hypnose vielleicht. Er wollte sich aufklären lassen, wollte den Namen des Wesens in seinem Inneren erfahren. Dass er ins Gefängnis gehen würde, hatte er nicht ahnen können.
    Melanie besuchte ihn zwei Mal. Ihre Besuche halfen ihm, und das, obwohl er mit ihr nicht über das reden konnte, was ihn beschäftigte. Es war Besuchern strengstens untersagt, mit den Inhaftierten über die Tat selbst zu sprechen, und über den Schutzengel durften sie ebenso wenig reden, solange ihre Unterhaltung mitgehört wurde.
    Trotzdem hatte Artur das Gefühl, dass die kurzen Gespräche mit dem hübschen, sanften Mädchen ihm halfen, sich besser auf das zu konzentrieren, was tatsächlich geschehen war. Allmählich bekam er wieder Oberwasser, Silberstreifen der Hoffnung erschienen am Horizont. Die Verdachtsmomente gegen ihn waren löcherig. Sie passten nicht zusammen.
    Die kleine Anna war nicht missbraucht worden. Das deutete nicht auf die Tat des geistesgestörten Triebtäters hin, den die Polizei in ihm zu sehen versuchte. Außerdem sagte Melanie aus, dass nicht Artur es gewesen war, der die Idee hatte, die Hütte aufzusuchen, sondern sie selbst. Ihrer Aussage nach hatte er den Ort überhaupt nicht gekannt. Natürlich konnte sie diesen Punkt nicht beweisen, aber wenn ein Opfer einen Täter entlastete, hatte dies Gewicht. Und die Bewohner von Falkengrund bezeugten, dass er an Annas Todestag das Schloss nicht verlassen hatte.
    Artur spürte, wie die Dinge nach endlosen Tagen des Stillstands langsam in Bewegung kamen. Melanie tat alles für ihn, was in ihrer Macht stand. Zusätzlich war offenbar ein zweiter Verdächtiger aufgetaucht. Niemand informierte Artur darüber, aber er entnahm es der Art und Weise, wie man ihn behandelte. Auf einmal schien es in seiner Umgebung hoffähig zu werden, seine Unschuld in Betracht zu ziehen – ein fast berauschendes Gefühl.
    Warum nur gelang es ihm selbst nicht, von seiner Unschuld überzeugt zu sein?
    Weil er sich zu gut an die Szene erinnerte, als er Melanie die Kehle zuzudrücken versuchte?
    Weil er es für möglich hielt, sein Schutzengel könne heimlich im Hintergrund aktiv sein und dafür sorgen, dass er freikam?
    Das würde erklären, warum es plötzlich so schnell gegangen war. Hauptkommissar Fachinger war höchstpersönlich erschienen und hatte ihm verkündet, dass man ihn freilassen würde. Die Begründung dafür versteckte er hinter Paragraphen und Fachbegriffen, doch Artur verstand sehr gut, was er sagen wollte: Wir wissen jetzt, dass Sie das Mädchen nicht getötet haben, und es tut uns leid, dass wir Ihnen diese Unannehmlichkeiten nicht ersparen konnten. Erwarten Sie keine formelle Entschuldigung von uns; wir haben nur unsere Pflicht getan.
    Artur fing einen Hauch von Angst im Blick des Beamten auf. Woher diese Angst kam, begriff er nicht. Er konnte nicht wissen, dass Sir Darren bei der Suche nach dem wahren Mörder von Anna spurlos verschwunden war, eine aberwitzige Suche, zu der Fachinger den Spiritisten und den Geist des Opfers genötigt hatte. Zu allem Überfluss hatte sich der Mörder auch noch das Leben genommen – alles in allem war die Sache immer nur noch scheußlicher geworden. Der Hauptkommissar machte sich Vorwürfe wegen des Verlaufs, den das Ganze genommen hatte. Artur blieben die Hintergründe verborgen, aber er spürte, wie der Beamte sich selbst anklagte.
    Artur Leik ließ sich entlassen, ohne Probleme zu machen. Er wunderte sich nur im Stillen, wie freundlich plötzlich alle zu ihm waren, wie schnell sich alles in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Wo waren die Psychologen, die ihn vor wenigen Tagen noch angesehen hatten, als wäre er ein irrer Mädchenmörder? Warum kamen sie nicht mit ihren Gutachten unter dem Arm angerannt und riefen: „Nein, lassen Sie diesen Mann nicht gehen! Er ist eine Gefahr für die Menschheit!“ Oder, falls sie eingesehen hatten, dass sie im Unrecht gewesen waren, warum entschuldigten sie sich dann nicht bei ihm? Was noch wichtiger war – warum bestätigten sie ihm nicht wenigstens, wie normal er war? Er hätte gerne ein Gutachten besessen,
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