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Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451
Autoren: Ray Bradbury
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suchte mit dem Finger nach der Zeile. »›Ich finde es gut!‹ Und dann geht das Stück weiter, bis er sagt: ›Bist du nicht auch der Meinung, Helene?‹ und ich sage: ›Aber gewiß doch.‹ Ist das nicht ein Mordsspaß, Guy?«
    Er sah sie vom Flur her an.
    »Das macht doch Spaß«, wiederholte sie.
    »Wovon handelt das Stück?«
    »Hab' ich dir ja eben erzählt. Es kommen Leute drin vor, Bob und Ruth und Helene.«
    »Ach so.«
    »Es ist wirklich ein Heidenspaß, und noch mehr Spaß wird es machen, wenn wir es uns einmal leisten können, die vierte Wand einzurichten. Wie lange, glaubst du, müssen wir noch sparen, bis wir die vierte Wand herausreißen und eine Fernsehwand einsetzen lassen können? Kostet ja nur zweitausend Dollar.«
    »Das ist ein Drittel meines Jahreseinkommens.«
    »Kostet ja nur zweitausend Dollar«, wiederholte sie.
    »Und ich finde, du könntest ab und zu auch einmal auf mich Rücksicht nehmen. Wenn wir eine vierte Wand hätten, dann wäre es doch, als gehörte dieses Zimmer gar nicht uns, sondern allen möglichen fremdländischen Leuten. Wir könnten das ja an ein paar andern Dingen einsparen.«
    »Wir schränken uns schon genügend ein, um die dritte Wand abzuzahlen. Sie ist erst vor zwei Monaten eingerichtet worden, weißt du noch?«
    »Ist es noch nicht länger her?« Sie betrachtete ihn eine Weile. »Also dann auf Wiedersehen.«
    »Wiedersehen«, sagte er. Im Gehen wandte er sich nochmals um. »Geht es glücklich aus?«
    »Ich bin noch nicht soweit gekommen.«
    Er trat zu ihr hin, überflog die letzte Seite, nickte, klappte das Manuskript zu und reichte es ihr wieder. Dann ging er in den Regen hinaus.
     
    Der Regen hatte nachgelassen, und das Mädchen ging in der Mitte des Gehsteigs mit zurückgeworfenem Kopf und ließ sich die paar Tropfen aufs Gesicht fallen. Als es seiner ansichtig wurde, lächelte es.
    »Guten Tag.«
    Er grüßte zurück und sagte dann: »Was hast du dir denn jetzt wieder ausgedacht?«
    »Ich bin immer noch nicht ganz bei Trost. Der Regen tut einem gut. Ich gehe gern im Regen spazieren.«
    »Das wäre nicht mein Fall«, bemerkte er.
    »Sie haben es bloß noch nie versucht.«
    »Allerdings.«
    Clarisse leckte sich die Lippen. »Er schmeckt sogar gut, der Regen.«
    »Was treibst du eigentlich? Spazierst du in der Welt umher, um alles einmal auszuprobieren?«
    »Manches sogar zweimal«, sagte das Mädchen und betrachtete etwas, das es in der Hand hielt.
    »Was tust du denn da?« fragte er.
    »Das ist wohl der letzte Löwenzahn dieses Jahr. Ich hätte nicht geglaubt, so spät noch einen zu finden. Haben Sie je gehört, daß man ihn unter das Kinn halten muß? Sehen Sie her.« Clarisse streifte ihr Kinn mit der Blume und lachte.
    »Wozu?«
    »Wenn es abfärbt, bedeutet das, daß ich verliebt bin. Hat es abgefärbt?«
    Er kam kaum darum herum, nachzusehen.
    »Nun?« fragte das Mädchen.
    »Du bist gelb unter dem Kinn.«
    »Schön! Jetzt wollen wir es bei Ihnen versuchen.«
    »Bei mir wird's nicht gehen.«
    »Halt.« Ehe er ausweichen konnte, war ihm Clarisse mit dem Löwenzahn unters Kinn gefahren. Er zuckte zurück, und sie lachte. »Halten Sie still!«
    Sie guckte unter sein Kinn und runzelte die Stirn.
    »Wie schade«, erklärte sie. »Sie sind überhaupt nicht verliebt!«
    »Doch, bin ich!«
    »Man sieht aber nichts.«
    »Ich bin sogar sehr verliebt!« Er versuchte eine entsprechende Miene aufzusetzen.
    »Doch, sicher!«
    »Ach, machen Sie doch bitte nicht so ein Gesicht.«
    »Es liegt an diesem Löwenzahn«, meinte er. »Du hast ihn bereits aufgebraucht. Deshalb ging's bei mir nicht.«
    »Ach ja, das wird's sein. Und jetzt habe ich Sie verstimmt, ich sehe es genau. Es tut mir wirklich leid.« Clarisse rührte an seinen Ellbogen.
    »Nein, nein«, beteuerte er rasch, »das macht nichts.«
    »Ich muß gehen. Sagen Sie bitte vorher noch, daß Sie mir verzeihen. Ich möchte nicht, daß Sie mir böse sind.«
    »Ich bin nicht böse. Verstimmt, ja.«
    »Ich muß jetzt zu meinem Psychiater. Man schickt mich hin, und ich denke mir aus, was ich ihm Schönes erzählen könnte. Was er wohl von mir hält? Er behauptet, ich sei eine richtige Zwiebel. Er hat alle Hände voll zu tun, die verschiedenen Schichten abzupellen.«
    »Mir scheint, du hast den Psychiater nötig.«
    »Das ist doch nicht Ihr Ernst?«
    Er holte Atem, stieß ihn wieder aus und sagte dann: »Nein, es war nicht ernst gemeint.«
    »Der Psychiater will wissen, warum ich gehe und in den Wäldern umherstreife und den
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