Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451
Autoren: Ray Bradbury
Vom Netzwerk:
den Haufen rannte. Schwingungen, die von seinem Fuß ausgingen, wurden von dem kleinen Hindernis auf dem Wege zurückgeworfen, während der Fuß schon ausholte. Er stieß dagegen an, und das Ding schlitterte im Dunkel mit einem dumpfen Klirren hinweg.
    Bolzengerade stand er da und lauschte in die gestaltlose Nacht hinein. Die Atemzüge der Frau auf dem Bett waren so schwach, daß sich nur noch der äußerste Saum des Lebens rührte, ein kleines Blatt, eine schwarze Flaumfeder, ein einzelnes Haar.
    Noch immer wollte er kein Licht von draußen. Er holte sein Feuerzeug hervor, spürte den Salamander, der auf der silbernen Scheibe eingraviert war, drückte dagegen. Zwei Mondsteine sahen im Lichte des Flämmchens in seiner Hand zu ihm empor, zwei blasse Mondsteine, in das klare Wasser eines Baches versenkt, über die das Leben der Welt hinweglief, ohne sie zu berühren.
    »Mildred!«
    Ihr Gesicht war wie eine verschneite Insel, welche den Regen nicht verspürt hätte, wenn Regen gefallen wäre, über welche vorüberziehende Wolken ihren Schatten werfen mochten, ohne daß sie es verspürt hätte. Nur das Sirren der Fingerhutwespen in ihren zugestopften Ohren war da und der gläserne Blick und der leise Atemhauch, ein und aus, ohne daß es sie gekümmert hätte, ob ein oder aus, aus oder ein.
    Der Gegenstand, den er mit dem Fuß weggestoßen hatte, schimmerte jetzt unter seinem eigenen Bett. Das Glasfläschchen, das noch am selben Tag mit dreißig Schlaftabletten gefüllt worden war und jetzt ohne Deckel und leer im Lichte des Flämmchens dalag.
    Im selben Augenblick heulte der Himmel über dem Haus auf. Es war ein gellendes Geräusch, als hätten zwei Riesenhände einen zehntausend Kilometer langen schwarzen Leinwandstreifen entzweigerissen. Montag war wie mittendurch gespalten. Die Düsenbomber, die über ihn hinwegjagten, hinweg, hinweg, eins zwei, eins zwei, eins zwei, ihrer sechs, ihrer neun, ihrer zwölf, einer und noch einer und immer noch einer, nahmen ihm das Schreien ab. Er sperrte den Mund auf und ließ ihr gellendes Geheul herabkommen und zwischen seinen Zähnen heraus. Das Haus erbebte. Das Flämmchen in seiner Hand verlöschte. Die Mondsteine verglommen. Wie von selber griff er nach dem Telefon.
    Die Düsenflugzeuge waren vorüber. Er fühlte seine Lippen sich bewegen, die Sprechmuschel des Hörers streifen. »Spital. Unfallabteilung.« Ein heiseres Raunen.
    Ihm war, die Sterne seien vom Heulen der schwarzen Düsenbomber zerrieben worden und die Erde werde am Morgen mit ihrem Staub wie mit einem fremdartigen Schnee bedeckt sein. Das war sein ausgefallener Gedanke, als er fröstelnd im Dunkel stand und seine Lippen reden ließ.
     
    Sie hatten da dieses Gerät. Eigentlich zwei Geräte. Das eine kroch in den Magen des Menschen hinunter wie eine schwarze Kobra, die in einem hallenden Brunnenschacht nach all dem sucht, was sich dort an alten Wassern und alter Zeit angesammelt hat. Es schluckte das grüne Zeug, das langsam emporgebrodelt kam. Schluckte es auch von dem Dunkel? Saugte es auch all das Gift aus, das sich im Laufe der Jahre dort angesetzt hatte? Lautlos pumpte es sich voll, gelegentlich mit einem Röcheln und blinden Herumtasten. Es hatte ein Auge. Wenn der Mann am Gerät sich einen besonderen Helm aufsetzte, konnte er dem Menschen, den er auspumpte, in die Seele hineinschauen. Was sah das Auge? Er sagte es nicht. Er sah, aber nicht, was das Auge sah. Es war wie beim Ausheben eines Grabens im Garten. Die Frau auf dem Bett war nichts weiter als eine harte Gesteinsschicht, auf die man gestoßen war Macht nichts, schieben wir das Ding 'runter, holen wir die Leere herauf, falls sich dergleichen mit der Saugschlange heraufpumpen läßt. Der Mann am Gerät stand da, eine Zigarette im Mundwinkel. Das andere Gerät war ebenfalls im Betrieb.
    Ein genauso unpersönlicher Mensch in einem immer gleich sauberen rostbraunen Overall bediente das andere Gerät. Es pumpte alles Blut aus dem Körper und ersetzte es mit frischem Blut und Serum.
    »Man muß sie doppelt ausräumen«, erklärte der Mann am Bett. »Den Magen auspumpen hat keinen Zweck, wenn man nicht auch das Blut reinigt. Läßt man das Zeug im Blut, dann schlägt das Blut ins Gehirn wie ein Hammer, peng, ein paar tausendmal, und das Gehirn gibt einfach auf, es macht nicht mehr mit.«
    »Genug!« rief Montag.
    »Ich meine ja nur«, sagte der Mann am Gerät.
    »Sind Sie fertig?« fragte Montag.
    Sie stellten die Apparate ab. »Wir sind fertig.« Seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher