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Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451
Autoren: Ray Bradbury
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Wahlspruch.«
    Sie schritten weiter dahin, und das Mädchen fragte: »Ist es wahr, daß die Feuerwehr einst Brände bekämpfte, statt sie zu entfachen?«
    »Nein. Die Häuser waren schon immer feuerfest, verlaß dich drauf.«
    »Merkwürdig. Ich habe mir sagen lassen, früher seien die Häuser manchmal aus Zufall in Brand geraten, und man habe Feuerwehrleute gebraucht, um dem Feuer zu wehren.«
    Er lachte.
    Clarisse warf ihm einen Blick zu. »Warum lachen Sie?«
    »Weiß ich auch nicht.« Er wollte schon wieder lachen, hielt aber inne. »Warum?«
    »Sie lachen, wenn ich nichts Lustiges gesagt habe, und Sie geben immer gleich Antwort. Sie überlegen sich nie, was ich Sie gefragt habe.«
    Er blieb stehen. »Du bist wirklich ein sonderbares Geschöpf«, bemerkte er und musterte es. »Hast du denn gar keinen Respekt?«
    »Es war nicht schlimm gemeint. Es ist nur mein leidiger Hang, die Leute allzu genau zu beobachten.«
    »Und das da, bedeutet dir das gar nichts?« Er tippte an die Zahl 451, die auf seinen schwarzen Ärmeln aufgenäht war.
    »Doch«, erwiderte Clarisse leise und beschleunigte ihre Schritte. »Haben Sie je den Turbinenautos zugeschaut, wie sie die Straßen entlangrasen dort drüben?«
    »Du wechselst das Thema!«
    »Manchmal glaube ich, die Automobilisten wissen überhaupt nicht, was das ist, Gras, oder Blumen, weil sie nie langsam daran vorbeikommen. Wenn man einem Autofahrer etwas Grünverwischtes zeigte, würde er sagen: ›Ja, das ist Gras.‹ Etwas Rötlichverwischtes? ›Das ist ein Rosengarten.‹ Weißverwischtes bedeutet Häuser. Braunverwischtes Kühe. Mein Onkel ist einmal langsam gefahren, auf einer Autobahn. Er fuhr mit sechzig Stundenkilometern und wurde zwei Tage lang eingesperrt. Ist das nicht komisch, und traurig dazu?«
    »Du machst dir zuviel Gedanken«, bemerkte Montag, dem es nicht wohl war dabei.
    »Ich sehe mir selten die Fernsehwände an und gehe auch nicht zu Rennen oder auf die Rummelplätze. Daher habe ich wohl eine Menge Zeit für verrückte Gedanken. Sind Ihnen schon die siebzig Meter langen Reklametafeln auf dem Land draußen aufgefallen? Wissen Sie, daß die Reklametafeln früher höchstens sieben Meter lang waren? Aber die Wagen sausten so rasch daran vorbei, daß man die Tafeln in die Länge ziehen mußte, damit sie überhaupt noch wirkten.«
    »Nein, das habe ich nicht gewußt«, lachte Montag.
    »Wetten, daß ich noch etwas weiß, was Sie nicht wissen. Auf dem Gras liegt am Morgen früh Tau.«
    Er hatte plötzlich nicht mehr sagen können, ob ihm das bekannt gewesen war oder nicht, und geriet in eine gereizte Stimmung.
    »Und wenn Sie genau hinsehen« – Clarisse deutete mit dem Kopf gegen den Himmel –, »es hockt ein Mann im Mond.«
    Er hatte schon lange nicht mehr hingesehen.
    Die letzte Strecke gingen sie schweigend nebeneinander her, Clarisse in einem nachdenklichen Schweigen, er in einem gedrückten und unbehaglichen, wobei er ihr von Zeit zu Zeit einen vorwurfsvollen Blick zuwarf. Als sie vor ihrem Haus anlangten, waren da alle Fenster hell erleuchtet.
    »Was ist denn bei euch los?« Montag hatte noch selten ein Haus gesehen, in dem so viel Licht brannte.
    »Ach, Mutter und Vater und Onkel sind noch auf und führen ein Gespräch. Es ist, wie wenn man Fußgänger ist, nur viel seltener. Mein Onkel wurde ein andermal verhaftet – habe ich es Ihnen schon erzählt? – wegen Fußgängerei. Oh, wir sind eine höchst eigentümliche Familie.«
    »Aber worüber unterhaltet ihr euch denn?«
    Das Mädchen lachte bloß. »Gute Macht.« Es wandte sich zum Gehen, dann schien ihm etwas einzufallen, und es kam zurück, um ihn neugierig anzustaunen. »Sind Sie glücklich?« fragte es.
    »Bin ich was? « rief er.
    Aber Clarisse war schon weg, lief im Mondschein davon. Sachte ging die Haustür zu.
     
    »Glücklich! So ein Unsinn.«
    Das Lachen verging ihm.
    Er griff ins Handschuhloch seiner Haustür und ließ es seinen Druck spüren. Die Tür glitt auf.
    »Selbstverständlich bin ich glücklich. Was glaubt das Ding eigentlich? Ich sei nicht glücklich?« fragte er in die Stille des Hauses hinein. Er stand da und sah zur Lüftungsklappe empor, und plötzlich fiel ihm ein, daß dort oben hinter der Klappe etwas versteckt lag, etwas, das jetzt auf ihn herabzulauern schien. Schnell wandte er den Blick ab.
    Was für eine seltsame Begegnung in der Nacht. Dergleichen war ihm noch nie vorgekommen, außer damals vor einem Jahr, als er nachmittags im Park einen alten Mann getroffen und
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