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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino
Autoren: António Lobo Antunes
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ebensogut kenne wie diese kleinen gefliesten Veranden, diese Vogelkäfige vor den Fenstern, diese an Wäscheleinenbäuchen aufgehängten Hemden.
    – Ich bin zu einer Zeit aufgewachsen, als hier Häuser mit kleinen Gärten für Kohl und Kleinvieh standen (würde er mir später im Restaurant sagen, wo wir uns viele Jahre später, zehn oder zwölf Jahre nach unserer Rückkehr aus dem Krieg, trafen). Damals, Herr Hauptmann, wirkte Damaia wie eine Wüste, ein stinkender Bach stolperte aufs Geratewohl über die Steine, mein
Vater hatte zwei Ziegen an einem Pflock festgebunden, die den ganzen Tag lang empört meckerten.
    (Rührt euch, befahl der Major in der Turnhalle der Kaserne, und Schluß war mit Mosambik, voller Kraft mit dem rechten Fuß auf den Boden stampfen und in diese Kraft den Ekel legen, den ihr in mir auslöst, die Toten, die Einbeinigen, die Verwundeten, das Fehlen von Zigaretten, frischem Essen, Briefen, Frauen, außer der einen oder anderen spindeldürren, desinteressierten, dickbäuchigen Afrikanerin in Lumpen.) Er sieht plötzlich ein schmales dreistöckiges, zwischen einen Krämerladen und ein bröckliges, betagtes Gebäude geklemmtes Haus, zieht eilig am Lederband der Glocke, Ich bin angekommen, und die müden Mitreisenden blicken ihn erschrocken an: ein Glatzkopf wächst überrascht hinter der Zeitung hervor wie die Nilpferde im Zoo aus dem Wasserbecken, mit dicken, von Nachrichten und Buchstaben beschlagenen Brillengläsern. Er schubst hustende Fahrgäste mit dem Ellenbogen, undeutliches Murren verwebt sich mit dem Knattern des Motors, er steigt aus, am Arm den Koffer, der seinen welken Zorn über den geriffelten Boden schleift, und steht blöd auf dem Bürgersteig und schaut dem Bus nach, der sich mit der indolenten Gemächlichkeit von Fettleibigen mit seiner schläfrigen, gleichgültigen Ladung entfernte.
    – Ich wußte auch nicht, was ich machen sollte (würde der Leutnant über den Fisch, die Rübenschößlinge und die gekochten Eier hinweg zu mir sagen), was ich auf so viele Fragen, auf so viele Küsse und so viel unerwartete Aufmerksamkeit, so viel Interesse für mich antworten sollte. Sie tasteten mich ab, um sich zu versichern, daß ich es war, vermischten ihren lebendigen Atem mit meinem von Toten getränkten Atem, und da kam mir der Gedanke, Und jetzt? Haben Sie, als Sie zu Hause ankamen, Und jetzt? gedacht, Herr Hauptmann? Haben Sie nicht gedacht, wie zum Teufel werde ich das alles vergessen? Waren Sie nicht verängstigt, allein in Lissabon, mit diesem Raum von Tagen vor sich, von Stunden, die mit irgend etwas möbliert werden mußten, haben
Sie nicht gedacht, wie schwer es ist, die Uniform auszuziehen und Zivilist zu sein, ich kann doch nur einen Schießprügel in die Hand nehmen und auf Negerjagd im Busch gehen?
    – Als ich in Buraca aus dem Bus stieg, war meine Schwester nicht da, sagte der Soldat, sie war mit dem Kleinen oder weiß ich wem einkaufen gegangen, und ich habe ewig lange vor der Haustür gewartet.
    – Steh da nicht rum und guck mich wie ein Blödi an, komm rein, sagte sie
    und der Soldat erblickte eine Frau etwa in seinem Alter mit einer Plastiktüte in einer Hand und einem kleinen Jungen an der anderen, die ihn mit dürren, irgendwie zufriedenen, irgendwie genervten Pupillen anschaut, die Tür mit der Hüfte aufhält, ihm im langen schmutzigen Korridor (noch mehr Mülleimer, Fußmattenzungen, Stuck an der Decke, der sich in Schimmel auflöst) brüsk vorangeht und den Beutel in der Küche auspackt, wo das Eisbärgrummeln des Kühlschranks anschwillt, während der Sohn ihn, mitten im Zimmer zwischen einem Mobiloilkalender mit einem Mädchen mit umwerfenden nackten Brüsten und dem Aquarium des abgestellten Fernsehers stehend, mit schreckensweiten Augen prüfend ansieht. Er setzt sich ängstlich auf die Sofakante (Da ist mein Vater gestorben), trifft auf das Foto des Alten auf einem Bord, das alte Foto eines Mannes mit Schnurrbart und Uhrkette, beeindruckend wie ein Papst auf seinem Jahrmarktsthron, steht mit einem Satz auf, aus der Küche kommen Geräusche zusammenstoßender Topfdeckel, das Zuknallen von Schubladen, ein Schemel fällt um, er geht zum Fenster, und da sind die heruntergekommenen Häuser des Viertels, der eklige Sandplatz, auf dem Fußball gespielt wurde, wobei die Tore durch Steine oder Flaschenscherben, Haufen aus Bauschutt angezeigt wurden, Männer, die Unrat mit einem Stock durchwühlen, und weiter oben das verschossene Grün von Monsanto an einem
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