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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino
Autoren: António Lobo Antunes
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sind fast alle Nachbarn gekommen Senhor Honório der Chef Salgado und Cousine Esmeralda und die Nichten die die Gelähmte von Nummer vierzehn gebracht haben die Arme in ihrem Rollstuhl erinnerst du dich daran wie wir Steine an ihre Fensterscheiben geworfen haben und sie Spitzbuben Spitzbuben geschrien hat Onkel Venâncio von der Post hat sich um die Papiere für die Sterbeurkunde gekümmert die Beerdigungskosten werden in Raten ans Beerdigungsunternehmen gezahlt falls du was über hast schick es schließlich war er dein Vater und es ist nicht gerecht daß ich alles allein blechen soll es gab zwei Kränze einen kleinen mit einer lila Schleife von den Freunden aus dem Café und einen von mir der so schön war daß Osório der vom Fußball zu mir gesagt hat Verdammich Fräulein Otília da möchte ich ja auch gleich den Löffel abgeben und ich warf ihm gleich zurück keine Angst bei dem Husten den Sie immer haben werden wir nicht lange darauf warten müssen der Beerdigungszug war echt toll sechs Taxis und drei Autos eine Kollegin aus der Fabrik hat mir den Rock und die Mantille geliehen alle fanden es schade daß du nicht da warst und
schicken dir ihr Beileid und Grüße hoffentlich kommst du schnell und wohlauf zurück denn man sieht hier so viele Krüppel auf der Straße ich schicke dir eine Umarmung deine Schwester Maria Otília Alves Nunes Adieu fünfhundert Escudos würden mir schon weiterhelfen.
    Jetzt (dachte er, als er den Brief zu Ende gelesen und den Umschlag im Koffer verwahrt hatte) fliegt der Alte mit geöffnetem Regenschirm unter der Erde weiter, den Mund voller Schlamm und Erdklumpen, und die kleinen unsteten Rentneraugen betrachten eingehend ein Schiff, das es nicht gibt, wie es sich voller Soldaten nach Afrika entfernt, immer unbedeutender auf dem Urkundenpapierblau des Flusses. Der Fahrer prüfte, so wie die Zunge langsam und vorsichtig einen schmerzenden Zahn abtastet, argwöhnisch den niedrigen Himmel Lissabons: Walzen rauher dunkler Wolken ohne Ruder, und das seltsame Gefühl von Hohlheit, von Leere, als ob das Dach der Stadt aus einem Hang unendlich vieler durchsichtiger Stufen bestünde, die zu keiner Tür führen.
    – Mindestens eine Lungenentzündung, sah der Typ voraus und schüttelte bekümmert den Kopf wie nach der Explosion der Minen auf dem Buschpfad, als sie sich stumm, ohne zu wissen, was sie tun sollten, um einen mit ausgestreckten Armen und Beinen daliegenden Körper versammelt hatten, der blutete.
    Der Oktopus hinter den Gitterstäben wurde ganz allmählich kleiner, Trauben von Menschen entfernten sich, einen Soldaten umringend, über den kleinen Platz von Encarnação, auf dem der Verkehr geduldig wie ein großer erschöpfter Ochse kreiste und mit seinen Rauchfladen die mageren Bäume im Rund düngte, die auf die Wachsplacken der Häuserwände die zarten Bronchienspuren ihrer Zweige druckten. Nur eine kleine Gruppe blieb beharrlich am Wappentor kleben, bereits so nah, daß er die Gesichter und die Arme erkennen konnte, die die zugeklappten Regenschirme an die Brust drückten (bang wie die Schwarzen, die sich vergeblich mit einer Dose in der Faust am Stacheldraht eingefunden
hatten und auf Essensreste des Bataillons hofften), Frauen, Männer, Greise mit von der resignierten Hoffnung armer Leute eingekerbten Falten, grobe Schuhe, in den weichen Stein des Bürgersteiges gepflanzt wie unförmige Felsbrocken. Die Rekruten streiften sie abermals im Vorbeitraben, aufgestachelt von den Schreien des Spießes und des Unteroffiziers, der ihm wie ein Hirtenhund folgte und dabei einen Dicken beschimpfte, der mühsam am Ende der Kolonne trudelte und in Verzweiflung und Erschöpfung zerfloß, während die schäbigen Gebäude der Kaserne sich hinter seinem Rücken duckten: Jetzt war Schluß mit dem Militär, Schluß mit dem Schießen, Schluß mit dem Tod, Schluß damit, Nacht für Nacht im Unterstand durch ein kleines Loch nach dem raschen orangefarbenen Licht der Waffen zu spähen. Ein, zwei, drei begierige Hände packten den Fahrer am Blouson, an den Abzeichen, an den Knöpfen der Uniform, als würden sie unter sich ein kostbares Erbe aufteilen, eine winzige Alte mit Umschlagtuch hängte sich weinend an seine Taille, lehnte scheu, zufrieden, gerührt ihr Gesicht an seinen Bauch, meine Schwester konnte sicher wegen des Kleinen nicht kommen, und die Bitterkeit des Neides, weil niemand da war, der ihn rief, ihn schob, ihn mit Küssen näßte, der Fahrer lächelte betäubt, begriff es nicht, Wir sind
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