Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Export A

Export A

Titel: Export A
Autoren: Lisa Kränzler
Vom Netzwerk:
still. Für heute hat es sich wohl ausgelacht. Leroys Miene ist ernst, besorgt, voller Entschlossenheit.
    »⁠… by doing so, we will get a vivid idea of hell’s characteristics. I can assure you ⁠…«, sein Blick scannt die Stuhlreihen, »if you are normal, you won’t like what you see.«
    »If you are normal?« Ich rutsche auf meinem Stuhl hin und her, blicke über die rechte Schulter nach hinten, mich vergewissernd, dass da eine Tür, ein Ausgang, ist.
    »What the bible has to say about hell is not simply metaphorical or allegorical. I believe that hell, the one the bible speaks of, is a literal place, filled with literal people enduring literal unbearable pain. I believe our worst nightmare would not come close to the horrors of hell.« Er verlässt das Pult, breitet die Arme aus und blickt zur Decke.
    »One might ask ›why would a loving god create such an awful place?‹« Leroy senkt Arme und Stimme, flüstert uns zu: »Folks, I believe that god wanted to make hell so horrible, so hot, that everybody who seriously considered it would be repulsed by it.«
    Ich suche nach den Augen meiner Schwester. In meinem Rücken die Tür. Die Schwester sieht mich nicht, die Tür bleibt fest verschlossen.
    »Let’s see what god’s word has to say about it.« Er nimmt die Bibel vom Pult. »In hell there will be no light.« Jetzt fliegen seine Finger über die Seiten, das Zitatfeuer auf uns ist eröffnet, Salve um Salve schlägt in meinen Kopf ein.
    »Matthew 8,12: ⁠But the children of the kingdom shall be cast out into outer darkness ⁠… bind him hand and foot and take him away, cast him into outer darkness ⁠…«
    Ein dunkler Zustand. Ein Einsamkeitszustand, in dem man nicht sieht und nicht gesehen wird, blinde Körperlosigkeit. Ich suche die umstehenden Schemen, den Chor, die Gemeinde, die Schwester, nach Augenpaaren ab und finde keine. Niemand erwidert meine Blicke. Bin ich bereits eine von denen, »to whom is reserved the blackness of darkness forever«? Die Pastorenstimme unterbricht meine Gedanken:
    »Can you imagine never seeing the light again? When lost souls have suffered the darkness of hell for a thousand years, they will still be tormented by the memories of the warm glow of the sunlight that once caressed their faces ⁠… But they will never see the light of day again. What more fitting punishment could there be for those who ›loved darkness rather than light‹?«
    Zustimmendes Nicken der Gemeindeköpfe, ein paar Mutige rufen »Amen!«, was offenbar so viel bedeutet wie »korrekt«, »ganz deiner Meinung«, »richtig so«.
    Mit lieblich hoher Stimme und grausamem Lächeln fährt Leroy fort:
    »I am told that one who is forced to remain in total darkness for an extended period of time becomes very agitated and irritable…«
    Ich will hier raus. Ich will hier raus!
    »⁠… and in hell he will lift up his eyes, being in torment.«
    Ich hebe meine Augen nicht mehr. Sie sind zu nass.
    »⁠… there shall be weeping and gnashing of teeth.«
    Wie lange noch? Ich starre auf mein nacktes Handgelenk, spähe in die Reihe vor uns, suche vergebens nach einer Armbanduhr.
    »⁠… and the smoke of their torment ascendeth up forever and ever.«
    Ich sitze in der Todeszone. Es hagelt Worte. Der Munitionsnachschub scheint unerschöpflich . Flammende Worte, ewiges Feuer, und beides will kein Ende nehmen.
    »The pain will be forever. The darkness will be forever. The thirst will be forever. The languishing and torment will be forever.«
    Endlich ein Blick.
    Es sind Pastorenaugen, die mich ansehen, und es ist die Pastorenstimme, die sagt:
    »Folks, there will be no exit signs in hell. There will be no escape. Once a person arrives in hell, it will be forever.«
    Irgendwann setzt endlich das Klavier ein. Ich singe um mein Leben, hetze durch die Strophen und aus der Tür, über der ein rotes Exit-Schild leuchtet. Noch.

5.
    Ich hatte keine Argumente. War nicht bibelfest.
    Kirchgang. Das war für mich bislang ein sinnlicher Rausch aus Weihrauch, Kerzenwachs und Sonnenstrahlen, die durch bunte Glasfenster fielen; das Murmeln von Gebeten und alten, geheimnisvollen Worten wie »Versuchung« und »Erbarmen«, begleitet von dunklen Adjektiven wie »gebenedeit« oder »würdig«. Blattgold an den Wänden, mit Amethyst verzierte Kelche, lange Gewänder aus Leinen, über denen handbestickte Stolen in Festtagsfarben hingen. Eine Abfolge feierlicher Rituale zum Klang der Glocken und Orgel­pfeifen.
    Was hatte man mir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher