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Ex en Provence

Ex en Provence

Titel: Ex en Provence
Autoren: Elke Ahlswede
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richtigen Französinnen, nicht die der Bäcker-Französinnen wie Madame Croizet.
    Die aber hat ein untrügliches Gespür für das richtige Jule-Management und dürfte entschieden dazu beigetragen haben, dass Jule Frankreich schon längst gar nicht mehr so furchtbar findet. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Madame »la boulangère« stets die richtige Portion glücklich machender Kohlehydrate zur Hand hat.
    Jedenfalls »unterhält« sich Jule mit ihrer neuen Freundin gern mal bei ein paar Stückchen frischer Quiche als Hauptgang und einem kleinen Schoko-Tartelette zum Nachtisch – und das, obwohl Jules Französisch noch sehr rudimentär ist und Madame ihrerseits überhaupt kein Deutsch spricht.
    Das dürfte auch heute keine von beiden stören, was ein Glück ist für mich, denn ich bin um ein Uhr in einem Bistro gegenüber der Sprachenschule mit Madame Guillotin verabredet, der Direktorin der Sprachenschule. Beim Essen könne man sich gut kennenlernen, hatte sie erklärt. Sehr nett, wie ich finde. Aber ich werde natürlich nur einen Salat nehmen, zwecks, wie war das noch, Kleidergrößen-Reduktion auf …
    »Mamaaa! Los jetzt.« Jule zieht mich aus unserer Wohnung, die Treppe herunter, zur Tür hinaus, drückt mir einen Kuss auf die Wange und verschwindet wieder in der Bäckerei. Madame Croizet winkt mir zu, ihr Blick sagt: »Alles bestens, lassen Sie sich Zeit, ich kümmere mich um ihre entzückende Tochter.«
    Das Leben ist ja sooo schön! »La vie est belle!«
    Wäre da nur nicht dieses hartnäckige Magenknurren – vielleicht nicht die optimale Voraussetzung für ein kalorienkontrolliertes Geschäftsessen.
    Den ganzen Weg zu meinem Termin versuche ich, meinen Magen mit Kaugummikauen zufriedenzustellen – natürlich vergeblich. Zumal meine neue Bleibe nicht so ganz direkt an der pulsierenden Unistadt liegt, wie der Makler versprochen hat.
    Genau genommen gondele ich jetzt schon seit zwanzig Minuten durch die in meinem nur zugluftgekühlten Auto ziemlich höllische Mittagshitze. Selbst meine Bluse hat sich als zu warm erwiesen. Ein Trägertop wäre jetzt das richtige Outfit, doch dafür sind meine Oberarme derzeit einfach noch nicht geschaffen.
    Nach ein paar Kilometern durch Olivenhaine, mit Zypressen gesäumte Hügel und das eine oder andere urlaubskatalogtaugliche Dorf tauchen erste Ausläufer der Stadt auf. In den Vororten kämpfe ich mich durch Wohn-und Industriegebiete mit den obligatorischen Autohäusern, Tankstellen und gigantischen Supermärkten, die zu Recht »Hypermarchés« heißen. Gegen so einen französischen »Carrefour« ist ein deutscher »Edeka« ein echter Tante-Emma-Laden, wie ich in den vergangenen Tagen mit schmerzenden Füßen feststellen musste.
    Fünf vor eins. Im Stadtzentrum haben legale Parkplätze um diese Uhrzeit eher Seltenheitswert. Ich drehe also noch eine Runde, aber mir bleibt wohl kaum etwas anderes übrig, als mein Auto direkt vor dem Bistro im absoluten Halteverbot abzustellen.
    Ach, warum nicht? »Vive la France!« – Das weltberühmte Land der Falschparker und der gepflegten Unpünktlichkeit!
    Beschwingt von all dieser Lässigkeit betrete ich das Bistro. Meine Chefin wird sicher noch etwas auf sich warten lassen, schließlich ist es gerade Punkt eins und …
    »Madame! Da sind Sie ja endlich!« Eine hagere Frau um die 50 in einem eng taillierten Kleid mit schmalen Trägern springt auf. »Ich warte schon seit einer Ewigkeit. Nehmen Sie Platz.«
    »Bonjour, Madame Guillotin, ich dachte, wir wären um ein Uhr verabredet, und jetzt ist es doch gerade …«
    »Zwei Minuten nach eins. Genau! Um eines gleich klarzumachen, ich dulde keine mangelnde Disziplin. Was essen Sie?«
    Mein Blick fällt auf den Nachbartisch, wo der Kellner gerade einen dick gefüllten Schinken-Käse-Toast liefert und Sekunden später an unserem Tisch steht.
    »Äh, einen Croque Monsieur, bitte«, antworte ich reflexartig. Madame Guillotins dünn gezupfte Augenbrauen in ihrem vornehm blassen Gesicht schnellen nach oben in Richtung Mireille-Matthieu-Pony. Dann befiehlt sie dem Ober: »Für mich einen gemischten Salat, die Vinaigrette aber extra.« Dann wendet sie sich an mich: »Gut eingelebt?«
    Bis gerade eben schon.
    »Ja, wir haben eine schöne Wohnung in …«
    »Gut, gut. Wir wollen keine Zeit verlieren. Voilà, Ihr Stundenplan.«
    Madame Guillotin schenkt sich Wasser ein und schiebt mir die Karaffe sowie ein Blatt Papier herüber. Mein Blick fällt sofort auf zwei rot umrandete Kästen im
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