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Ex en Provence

Ex en Provence

Titel: Ex en Provence
Autoren: Elke Ahlswede
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Alina.«
    Aber ich nicht!
    »Julchen, mach dir keine Sorgen, alles wird gut. Sieh mal dort, der kleine Hund. Ist der nicht niedlich?!«
    »Nö. Der sieht aus wie ein Würstchen mit Beinen.«
    Stimmt eigentlich.
    »Aber nein. Das ist eine ganz edle …«
    »Und der kackt ja mitten auf den Fußweg! Iieh.«
    Iieeeh!
    »Jule! Der Hund macht auf den Fußweg. Man sagt nicht kacken.«
    »Jetzt hast du’s auch gesagt, gerade eben, hihi. Aber guck ma, der scheißt ja mitten auf den Fußweg. Bääääh!«
    »Das sagt man natürlich auch nicht. Und außerdem ist das doch gar nicht so schlimm.«
    Es lebe die französische Gelassenheit.
    »Also, ich finde das voll eklig«, motzt Jule. »Wann sind wir denn endlich da? Da beim Brathaus?«
    »Rathaus.«
    »Sag ich doch. Und was wollen wir da eigentlich noch mal?«
    Alzheimer? Mit fünf?
    »Jule, das weißt du doch genau: eine Kinderfrau, eine nette Oma …«
    »Nö. Will nich.«
    Keine Demenz, passiver Widerstand!
    »Wir suchen für dich eine Tagesmutter, auf Französisch eine …«
    Eine … eine … Wie hieß das doch gleich? Bong schur, schä besoing dün nu… nu… nu… Mist!
    Hinter der Straßenecke taucht jetzt das Rathaus auf: Ein entzückender kleiner Steinbau mit einem Springbrunnen vor der Eingangstür, über der eine etwas überdimensionale Frankreichflagge im nicht vorhandenen Morgenwind ziemlich schlaff herunterhängt. Aber irgendwie sehen Rathaus und Fahne trotzdem ganz imposant aus.
    »Bonjour Madame«, höre ich, kurz nachdem wir die Eingangshalle betreten haben. Eine Frau, etwa Anfang 30, sitzt dort an einem Schreibtisch und lächelt mir zu. Sie trägt eine Hochsteckfrisur, für die ich optimistisch geschätzt mindestens zwei Stunden brauchen würde. Ihr absolut makelloses Make-up noch dazugerechnet, wäre ich drei Stunden beschäftigt. Dabei ist es gerade mal kurz nach neun! Sie muss früher aufstehen oder einen Hausstylisten haben.
    Ihr Lächeln gibt den Blick frei auf eine Reihe schneeweißer, aber überraschend schiefer Zähne. »Qu’est-ce qu’on peut faire pour vous? Was können wir für Sie tun?«, flötet sie.
    Wow, was für ein Service! Und eine gute Frage dazu. Ich brauche eine Tagesmutter, une nou… nou… nourisson! Genau, das war’s. Nourisson!!!
    »Bonjour, j’ai besoin d’une nourisson.«
    Geschafft.
    » Un nourisson«, verbessert mich die Dame blitzschnell. Warum, verstehe ich allerdings nicht.
    Aber dann stutzt sie selbst und lässt eine ganze Salve französischer Sätze los. Sie spricht, als hätte sie jemand auf Schnellvorlauf gestellt. Ich verstehe nur jede Menge Fragezeichen in ihrem Text und zucke mit den Schultern.
    Dann verstummt die Dame, blickt mich über ihre schwarz gerahmte Brille an, als schwanke sie noch zwischen einem Anruf bei der Polizei und beim psychiatrischen Notdienst. »Bon, alors …«, stammelt sie schließlich.
    Irgendetwas stimmt hier nicht.
    In diesem Moment wird die Eingangstür mit so viel Schwung aufgestoßen, dass die Blätter der Palme im gusseisernen Topf direkt daneben hektisch rascheln. Ein Mann um die 50 stürmt ins Rathaus. Im Vergleich zu ihm wirkt Präsident Speedy Sarkozy wie das reinste Entspannungsbad.
    Mit seinem Elan hat der Unbekannte wahrscheinlich sogar die schlappe Fahne draußen vor der Tür ins Schwingen gebracht. Im Inneren des Rathauses ist seine Wirkung jedenfalls unübersehbar: Die Dame am Empfangstisch rückt ihre Gesichtszüge gerade, lässt ihr Begrüßungslächeln noch ein bisschen heller erstrahlen, bringt ihren Busen in Stellung und schlägt ihre samtig schimmernden Beine übereinander.
    »Bonjour, Monsieur le Maire«, trällert sie.
    Oh, der Herr Bürgermeister.
    Jule zupft mich am Ärmel. »He, Mama, guck ma, wer da ist!«
    »Das ist der Bürgermeister«, raune ich Jule zu.
    »Quatsch, Mama, das ist der Kaugummiverkäufer!«, ruft sie.
    »Nicht so laut, Jule. Und überhaupt: welcher Kaugummiverkäufer?«
    »Na, der kleine Dicke mit diesem komischen Bart«, ruft sie, auf Deutsch. Zum Glück, denn der Mann in Hörweite ist eindeutig klein, dick, und sein Oberlippenhaar dürfte derselben Figaro-Tradition entstammen wie Asterix’ Schnurrbart.
    Mit entschuldigender Miene blicke ich zum Bürgermeister, der aber von Jules Erkenntnis mit etwas Glück schon deshalb nichts mitbekommen hat, weil er der Empfangsdame gerade galant Begrüßungsküsschen verabreicht. Aber wen meint Jule bloß mit dem Kaugummiverkäufer?
    »Na, der… der… der…«, stottert sie.
    Ich zucke mit den Schultern
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