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Ex en Provence

Ex en Provence

Titel: Ex en Provence
Autoren: Elke Ahlswede
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Schulanfang.«
    »Wollten Sie mir nicht die Schule …«
    »Die Schule zeige ich Ihnen dann auch bei der ›rentrée‹. Ich habe jetzt keine Zeit mehr. Auf Wiedersehen!« Mit ihren mindestens zwölf Zentimeter hohen Absätzen klackert Madame Guillotin die steinerne Treppe der Sprachenschule hinauf und lässt die Holztür krachend ins Schloss fallen.
    Puh!
    Ich atme durch und blicke mich haltsuchend um. Doch leider entdecke ich so gar nichts Haltgebendes, geschweige denn Beruhigendes. Vielmehr höre, sehe und rieche ich nur die hundert Clios, Espaces und Citroëns um mich herum und spüre die Mittagshitze, die mir durch meine Bluse auf der Haut brennt.
    Von wegen Paradies auf Erden!
    An der Straßenecke klemmt eine Politesse gerade einen Strafzettel hinter einen Scheibenwischer, zum Glück aber noch fünf Autos vor meinem. Ich wühle meinen Schlüssel aus der Handtasche und will mich auf den Weg machen, als ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter fühle.
    Aufgeschreckt drehe ich mich um und stehe vor …
    … Hugh Grant.
    Nun, es handelt sich natürlich um eine französische Ausgabe von Hugh Grant, wie mir auch das kleine Krokodil auf dem rosafarbenen Poloshirt des Fremden zuzuzwinkern scheint.
    Hugh Grant français ist sicher 20 Jahre jünger als der echte, aber nicht minder attraktiv: ein ziemlich gekonnt zerwuschelter Haarschopf in Dunkelbraun und ein Lächeln, das rund um die Augen charmant ein paar Fältchen produziert, kurz, ein echter Wow-Effekt.
    »Bonjour, kann ich Ihnen helfen?«, fragt Hugh in einer nicht nur nach Madames Gezeter angenehm tiefen Stimme.
    Kommt darauf an.
    »Äh, nun ja, also …«
    Ich war ja noch nie das ganz große Small-Talk-Genie, aber so etwas wäre mir vor diesem Ralph-Babysitter-Desaster nie passiert! Doch mein Selbstbewusstsein ist inzwischen einfach so widerstandsfähig wie in Wasser eingeweichte Gummibärchen.
    »Wissen Sie, Madame Guillotin kann manchmal etwas barsch wirken«, tröstet mich mein Gegenüber in wohlklingendem Französisch. »Aber eigentlich ist sie dann doch ganz leicht um den Finger zu wickeln.«
    Von einem Hugh-Grant-Double vielleicht.
    »Ach ja? Kennen Sie sie?«, erkundige ich mich.
    »Ja, ich arbeite auch hier.« Er deutet auf das Schild »École Polyglotte«. »Sie sind vermutlich unsere neue Kollegin aus Deutschland. Ich habe schon von Ihnen gehört, Mademoiselle, wie war doch gleich Ihr Name?«
    Mademoiselle?
    »Kirsch. Anja Kirsch«, antworte ich, hebe ein bisschen das Kinn und drücke meinen Rücken gerade, um etwas an Haltung zurückzugewinnen.
    »Kiirsch? Oh, la cerise … Wiissen Sie, isch spreschö … öh … eine gonses kleines bisschjen Deutsch! Und Kiirsch versteht ier sowieso jedder. Aber das Sie wissen ja sischer längst.«
    Keine Ahnung.
    Hugh lacht. »Sie verstä-en?«
    Rein gar nichts.
    »Natürlich, haha …«
    Themenwechsel bitte.
    »Wie gefällt es Ihnnen denn ier in ›La France‹?«
    Uff.
    »Äh …« Ich streiche mir über die Stirn, auf der ich erste Schweißperlen zu spüren meine.
    »Ja, gut gefällt es mir. Ich, äh …«
    Anja! Los jetzt, Eloquenz, Eleganz …
    »Sie abben sischer geradde mit Madame Guillotin, wie soll isch saggen, gespeist?«
    »Ja, also eher nein, also ich meine …«
    »Isch weiß. Sie at Ihnnen gar keine Seit dazu gelassen. Bei mirrö war es ähnlisch, als isch misch vor eine paar Jarre präsentiiert, wie saggt man, vorgestellt abbe. Isch abbe nur knapp eine ›plat du jour‹ geschafft.«
    Na, immerhin.
    »Keinne Vorrspeise, keinne Käse, nischt einmahl eine kleinne Dessert: Das ist stil-loss«, sagt Hugh mit echter Erschütterung und fügt dann verschmitzt lächelnd hinzu: »Und an eine kleine Kiirsch zum Digestif war gar nischt zu denken.«
    Kirsch? Digestif? Der Schnaps?!
    »Hm.«
    »Sehrr bedauerlisch, nischt wahrr?«, sagt Hugh – wie heißt er eigentlich wirklich?
    Ich lächele tapfer – und schweige vorsichtshalber.
    »Oh, pardon! « Hugh holt sein Handy aus der Hosentasche, das für mich unmerklich einen Anruf signalisiert haben muss. Es wird wohl seine vermutlich übernatürlich attraktive Freundin sein.
    Aber Moment, was sagt er da?
    »Europa … kurz vor dem Ziel … Zeit zu handeln …«, sind die Wortfetzen, die ich verstehe. Vielleicht ist es doch nicht seine Freundin?! Dieser Text passt ja nun zu keiner Phase einer Beziehung: Das ist weder Love-Talk der Anfangszeit, auch nicht eine Frage wie »Wo gehen wir heute Abend essen?« in der Mitte, noch das »Wer-ruft-den-Klempner-an«-Niveau
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