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EwigLeid

EwigLeid

Titel: EwigLeid
Autoren: Virna Depaul
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Anschließen schob er eine widerspenstige Haarsträhne an ihrer Schläfe zurück.
    Als er schließlich zufrieden war, griff er zum Skalpell.
    Sehr langsam und sehr behutsam schnitt Bowers die Augenlider der Frau ab und tat sie zu seiner Sammlung in ein kleines Kästchen.
    Die darauffolgenden Stunden widmete er seinen verbleibenden Aufgaben. Er schoss ein paar letzte Fotos. Dann rollte er die Frauenleiche auf der Bahre zu ihrerletzten Ruhestätte, nachdem er ihr ein paar Zähne und Haare entnommen und beiseitegelegt hatte. Später würde er die Asche mitsamt den Fotos, Zähnen und Haaren an die Polizei schicken. Während er seinen Arbeitsplatz aufräumte, musste er bei der Vorstellung, wie die Polizei sich abmühte, die Frau zu finden, tatsächlich lachen.
    Schon als Kind hatte er es geliebt, eine Schnitzeljagd zu planen, den Teilnehmern gerade genug Hinweise zu geben, um die Aufgabe lösbar, aber keineswegs einfach zu machen. Was die Cops betraf, hatte er quasi eine Karte gezeichnet, nach der die Frau zu identifizieren war, allerdings nur, weil es in seinem Spiel nicht darum ging, die Opfer zu finden. Es ging darum, ihn zu finden. Jedoch war kein Polizist je schlau genug gewesen, das zu bewerkstelligen. Keiner würde es jemals schaffen.
    Nachdem er sich umgesehen und sich vergewissert hatte, dass alles so gut wie möglich aufgeräumt war, stieg Bowers die Treppe vom Keller zu seinem eleganten Wohnbereich, nur wenige Straßenzüge von der Golden Gate Bridge entfernt, hinauf. Er liebte die Gegensätzlichkeit seiner zwei Leben. Wie die oberen Stockwerke von seinem Reichtum und seinem Erfolg zeugten, während das Untergeschoss seine dunklere Seite symbolisierte. Er wunderte sich immer wieder, wie Ersteres das Zweite so gut tarnen konnte. Als würden die Leute wahrhaftig glauben, beides könnte nicht gleichzeitig existieren. Summend sammelte er seine Gerätschaften ein und prüfte dann noch einmal den Kalender auf seinem Smartphone.
    Den nächsten Termin hatte er um elf Uhr. Seine Patienten brachten nur selten die angemessene Dankbarkeit zum Ausdruck für das, was Bowers für sie tat, aber auf jeden Fall bezahlten sie gut. Nichtsdestoweniger war die Perfektion seiner Arbeit Belohnung genug für Bowers, auch wenn er sich über seine hohen Einnahmen freute. Bowers nahm sich hässliche Dinge vor und verwandelte sie in etwas Schönes, genauso, wie er mit seinen Mädchen verfuhr.
    Andere erkannten sein herausragendes Können zunächst vielleicht nicht, doch das hielt nicht lange vor. Irgendwann öffnete Bowers ihnen die Augen dafür. Dazu brauchte er weiter nichts als eine Strategie, Zeit und Disziplin.
    Das und natürlich eine sichere Hand, wenn er das Skalpell führte.

3. KAPITEL
    Die Kleinen gaben immer Fersengeld.
    Sie dachten, im Hinblick auf Schnelligkeit wären sie im Vorteil, doch die wenigsten wussten, dass Cops Langstreckenlauf trainierten. Es konnte eine Weile dauern, bis sie sie einholten, aber es gelang ihnen fast immer.
    In diesem Fall war es günstig für Carrie, dass sie sogar noch kleiner war als der Täter, den sie jagte, und da sie Zivilkleidung trug, wurde sie auch nicht durch den sechs Kilo schweren Ausrüstungsgürtel behindert. Stattdessen hatte sie nur ihre Schusswaffe bei sich, die sicher im Holster steckte.
    Schließlich wäre es nicht klug gewesen, mit einer Waffe herumzufuchteln, während sie einen Verdächtigen jagte, auch wenn es im Fernsehen oft so dargestellt wurde. Schon gar nicht an einem Freitagabend, an dem die leeren Straßen sich plötzlich mit Leuten füllen konnten, die aus dem Kino oder nach einem späten Essen oder ein paar Drinks aus einer Bar kamen. Aus einer Bar wie McGill’s. Die Bar, in der sie Jase und seine Freundin Regina zurückgelassen hatte, und dass, obwohl Jase Carrie noch einmal hatte küssen wollen. Sie hatte ihn abgewiesen, und was hatte sie nun davon? Einen Zusammenstoß mit einem Gelegenheitsdieb. Einem schnellen.
    Von Adrenalin getrieben sprintete sie los und fragte sich, ob das Vorstrafenregister des Typs, den sie bei einem versuchten Einbruch in einen Baumarkt erwischt hatte,seine Flucht vor der Polizei wohl rechtfertigte. Seine überstürzte Flucht, als sie stehen blieb, um ihm lediglich ein paar Fragen zu stellen, ließ vermuten, dass er für die Cops kein Fremder war.
    Sie holte bereits gehörig auf, als er einen Haken in Richtung eines baufälligen Hauses abseits der Post Street schlug und zur Tür stürmte. Carrie blieb draußen, suchte unverzüglich
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