Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Esther Friesner

Titel: Esther Friesner
Autoren: Die Katze läßt das Zaubern nicht
Vom Netzwerk:
gewesen sein. Viele der Studenten der unteren Stufen behaupteten, daß sie noch einigermaßen jung sei, daß die Ehe mit Meister Thengor sie aber, vor der Zeit habe altern lassen.
    Sie war in zahllose Schichten aus kostbarster Seide gehüllt, bunt wie der Sonnenuntergang, und sah aus wie ein riesiger Kokon, so daß niemand zu sagen wußte, ob sie eine gute Figur hatte oder nicht.
    »Nun«, fuhr sie fort, »vielleicht wirst du ja die Feststellung machen, daß der alte Knacker noch eine Überraschung für dich in petto hat.
    Eine fiese, wie ich hoffe. Kommt rein.
    Kommt rein, allesamt. Es ist fast Zeit. Er verliert von Minute zu Minute mehr die Kontrolle. Das Zeug wird immer häufiger sichtbar.
    Das bedeutet, daß das Ende so gut wie sicher ist.« Sie klang alles andere als unglücklich darüber.

    Bevor ich mich wieder aufrappeln konnte, waren meine Mitstudenten schon alle durch die Messingtüren verschwunden, die sich gerade träge hinter ihnen zu schließen begannen. Kaum war ich hindurchgeschlüpft, als ich auch schon hörte, wie sie hinter mir zuschlugen. Was meine Studien anging, war ich zwar nicht besonders schnell, dafür aber war ich einigermaßen gut zu Fuß. Ich mußte bei dem Gedanken grinsen, daß ich Velma Chefköchin auf der anderen Seite der Tür zurückgelassen hatte und nun auch nicht würde erledigen müssen, was sie mir in ihrer Küche hatte auftragen wollen.
    »Wisch dir bloß das blöde Grinsen vom Gesicht, du dämlicher Rattenklopper!« zischelte jemand neben mir und verlieh seinen Worten mit einem Schlag auf meinen Hinterkopf Nachdruck. »Noch ist unser Meister nicht tot. Was glaubst du wohl, was er mit dir machen wird, wenn er dich grinsend an seinem Totenbett erwischt?
    Willst du etwa die Probe machen, ob er immer noch so mürrisch ist wie sonst?«
    »Hoppla.« Rasend schnell wechselte ich von einer selbstzufriedenen zu einer von Trauer erfüllten Miene über. Überall um mich herum hallte der Raum vom Geräusch der Schluchzer, des Stöhnens, des Jammerns und anderer Trauerrufe wider. Ich fragte mich, wieviel davon wohl echt sein mochte und wieviel man lediglich absolvierte, weil der Meister Thengor, ob er nun am Leben war oder im Sterben lag (oder möglicherweise sogar schon tot war), allen Leuten einfach nur Furcht einjagte.
    Ich versuchte ein paar Tränen aufzutreiben (oder wenigstens ein trauriges Winseln), aber es hatte keinen Zweck. Ich hatte meinen Lehrer auch schon nicht sonderlich gemocht, als der alte Hexer noch bei voller Gesundheit gewesen war, und das einzige, das ich nun empfand, da Thengor im Sterben lag, war ein leicht schuldbesetztes Gefühl der Erleichterung.
    Kein Lehrer mehr, keine Lehrbücher mehr, dachte ich. Und damit auch kein Kochen auf Sparflamme mehr. In allen Ländern von Orbix gibt es keinen zweiten Magier, der so mächtig ist wie Thengor, aber auch keinen, der so gierig auf Gold ist wie er. So gierig, daß er selbst einen derart miserablen Schüler wie mich duldet, und das nicht etwa ans der Güte seines Herzens heraus. Ich habe einfach kein Talent für die Magie, Mutter wird nun endlich einsehen müssen, daß mir nicht das Leben eines großen Hexers bestimmt ist. Dann wird sie mich auch nach Haus zurückkehren lassen müssen .
    Das war ein beruhigender Gedanke. Er beruhigte mich ganze zehn Sekunden lang, bis mich ein zweiter voll ins Herz traf: Wenn ich nicht für das Leben eines großen Hexers geeignet bin, wozu bin ich denn dann geeignet?
    Was konnte ich denn schon? Das war nun wirklich ein Gedanke, mit dem herumzuzaubern sich gelohnt hätte, wenn ich doch nur ein wenig besser in Zauberei gewesen wäre, was ich aber nun einmal nicht war.
    Es war die Art Gedanken, die sich im Rückenteil meines Kittels niederließen und dort ein Jucken verursachten, so daß ich furchtbar herumzappelte - bis Poldi Flammensenger sich zu mir umdrehte und flüsterte: »Hör mal, Gangle, es ist schon überfüllt genug hier drin, da brauchst du es uns nicht noch schwerer zu machen. Alle sind scharf darauf, am Bett des Meisters Thengor zu stehen, wenn er seinen letzten Wunsch verkündet, und deshalb wollen sich auch alle vordrängeln, aber das kannst du dir ruhig schenken. Es müßte schon ein Wunder geschehen, damit er dir überhaupt irgend etwas hinterlässt.«
    »Will ja gar nichts haben«, murmelte ich und wünschte mir, ich könnte Poldi sagen, daß er fett genug war, um eine ganze Menschenmenge für sich abzugeben. Nicht daß ich es getan hätte.
    Poldi hieß Flammensenger, weil
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher