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Esther Friesner

Titel: Esther Friesner
Autoren: Die Katze läßt das Zaubern nicht
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widerliches kleines …«
    »Weib, hältst du es wirklich für besonders klug, in diesem Haus so freizügig vom Tod zu reden? In Anbetracht der gegenwärtigen Umstände?« Eine tiefe, gebieterische Stimme, so geschmeidig wie ein gewichstes Wiesel, füllte den Saal aus. Velma Chefköchin kannte diese Stimme - wie alle Diener des Meisters Thengor - und fürchtete sie. Sofort wurde sie blaß um die Nase und löste ihren Griff um meine Schulter. Dankbar blickte ich auf, als eine eindrucksvoll gewandete Gestalt sich aus dem hinteren Teil des Saals löste und auf uns zu schwebte.
    Ich habe mir schon oft gewünscht, ein ganz anderer zu sein. Das ist auch nicht sonderlich schwer verständlich, wenn man seit sechzehn hoffnungslosen Lebensjahren damit gestraft ist, Kendar Gangle sein zu müssen, ohne daß je ein Ende in Sicht wäre. Seitdem Mutter mich auf die Akademie geschickt hat, ist kein einziger Tag verstrichen, da ich mir nicht gedacht habe: Ich würde sechs Wochen Taschengeld dafür aufopfern, um ]uvee Tiefschweber zu sein; oder: Ich würde mein ganzes Taschengeld und meinen echten Drachenzahnzauber dafür hergeben, um Siv Hautwandler zu sein; oder: Ich würde alles darum geben, um nur für eine einzige Nacht Mahcondor Liebesglück sein zu dürfen!
    Ach, vergessen wir das lieber. Ich hätte alles, was ich besaß, darum gegeben, dazu das Doppelte dessen, was ich mir irgendwo hätte zusammenleihen können, und siebenmal mehr, als ich hätte stehlen können, und die gesamten Güter der Gangles dazu, um nur für eine Stunde Zoltan Bösherr sein zu dürfen. Denn das, so dachte ich mir, wäre wohl die einzige Stunde in meinem Leben, da die Leute Angst vor mir hätten. Ich weiß ja selbst, daß es viel, viel, na ja … anständiger wäre, respektiert statt gefürchtet zu werden, aber diesen Kompromiss wäre ich nur zu gern eingegangen.
    Schau ihn dir nur an! dachte ich, während ein jahrelanger Neid in meinem Bauch zu grummeln begann. Egal, wer Zoltan auf der Straße erblickt, jeder weiß sofort, daß er ein mächtiger Hexer ist. Obwohl das gar nicht stimmt. Obwohl er doch auch nur ein einfacher Student ist wie ich.
    Das war die Wahrheit. Alles an Zoltan kündete lautstark: »HEXER!«
    Von der Spitze seines kegelförmigen Huts, der mit ganzen Sternengalaxien geschmückt war, samt Monden, Sonnen und Planeten, bis zu den hochgebogenen Spitzen seiner schwarzen Seidenpantoffeln. Natürlich war er noch zu jung für den langen weißen Bart, wie er dem echten Hexer anstand, aber immerhin besaß er einen sehr hübschen, sauber gestutzten schwarzen Spitzbart mit dazu passendem Schnäuzer. Außerdem hatten seine dunklen Augenbrauen, die sich buschig über seinen feurigen schwarzen Augen erhoben, etwas an sich, das die meisten Leute dazu bewegte, äußerst höflich mit ihm zu reden und im allgemeinen auch alles zu tun, was er von ihnen verlangte. Es war schwer, diesen Ausdruck in Worte zu fassen; er schien einfach nur die Frage zu vermitteln: WIE DU WOHL
    ALS KRÖTE AUSSEHEN WÜRDEST? Er konnte sogar Rosco, den Eulerich von Meister Thengor, dazu bewegen, sich auf seiner Schulter niederzulassen, ohne auf seine Kutte zu kacken.
    Wehmütig fuhr ich mir über die bartlosen Wangen. Das einzig Rauhe, was ich dort vorfand, war der Beginn einer frischen Pickelernte. Ich hatte nicht die mindeste Lust, darüber nachzudenken, was jenes eine (und einzige) Mal geschehen war, als ich selbst mein Glück mit Rosco versucht hatte.
    Velma Chefköchin sank vor Zoltan auf die Knie und rang dabei wirr die Hände. »Oh, bitte, gütiger Herr, ich habe es nicht böse gemeint.
    Ich habe dabei doch gar nicht auf unseren guten Herrn und Meister angespielt, habe ich doch gar nicht, ich wollte doch nichts Böses, habe ihm nichts Böses gewünscht, das muß man ihm doch nicht erzählen, nicht wahr?«
    »Du ihm etwas Böses wünschen? Eine einfache Radieschenschnipplerin wie du - dem Meister Thengor Übles wünschen?« Zoltan lachte schallend und ausgiebig. Velma wagte ein verstörtes Kichern, und schon stürzte er sich auf sie wie der Steuereintreiber des Königs auf eine Lücke in den Geschäftsbüchern.
    »Das hältst du wohl für komisch, wie?« fauchte er. Die arme Velma schrumpfte zu einem erbärmlichen Bündel aus Stöhnen und Gewimmer zusammen.
    Die anderen Studenten in ihren nach Graden farbig abgestuften Kutten beobachteten die Qualen der Chefköchin und tauschten anerkennende Flüsterlaute aus. Einige der Jungen in den unteren Hexergraden kicherten sogar.
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