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Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Autoren: Michel de Montaigne
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turpiter? Quis, quum decubuisset, ferrum recipere jussus, collum detraxit? 13 Laß uns die Weiber gleichfalls aufführen.
    Wer hat in Paris nicht von der Dame gehört, welche sich die Haut abziehen ließ, bloß um eine neue Haut und eine frischere Gesichtsfarbe zu bekommen. Es hat ihrer gegeben und gibt ihrer noch, die sich ihre gesunden Zähne ausreißen lassen, um eine vollere und angenehmere Aussprache zu gewinnen oder um eine besser stehende Reihe Zähne zu bekommen. Wie viele Beispiele von Verachtung der Schmerzen haben wir nicht in dieser Gattung? Was vermögen sie nicht! Was fürchten sie, wenn es nur einigermaßen darauf ankommt, ihre Schönheit zu vermehren!
     
    Vellere queis cura est albos a stirpe capillos,
    Et faciem dempta pelle referre novam. 14
     
    Ich habe welche gesehen, die Sand und Asche verschluckten und sehr sorgfältig darauf arbeiteten, sich den Magen zu verderben, um eine blasse Gesichtsfarbe zu haben. Um einen recht schmalen Körper zu haben, welche Pein ertragen sie nicht in ihren Schnürleibern und Gurten von Fischbein mit großen Kutschen auf den Hüften, die ins Fleisch schneiden und ihnen zuweilen gar den Tod zuziehen.
    Es ist heutzutage bei vielen Nationen noch Sitte, sich mit Bedacht zu verwunden, um ihrem Worte Glauben zu verschaffen; und unser König erzählt davon merkwürdige Beispiele, die er in Polen gesehen hat und mit ihm selbst geschehen sind. Außer denen aber, die meines Wissens von einigen in Frankreich nachgeahmt sind: Als ich von dem berühmten Landtage zu Blois heimkehrte, hatte ich kurz vorher in der Pikardie ein Mädchen gesehen, welche, um die Aufrichtigkeit ihres Versprechens wie auch ihre Treue zu bestätigen, sich mit einer Haarnadel, die sie in der Flechte trug, vier bis fünf Stiche in den Arm gab, daß ihr die Haut barst und sich damit einen tüchtigen Aderlaß ersparte.
    Die Türken geben sich für ihre Damen große Schmarren übers Gesicht, und damit die Narben nicht ausgehen sollen, fahren sie alsobald mit Feuer über die Wunden her und halten es darüber eine unglaublich lange Zeit, um das Blut zu stillen und die Narbe zu bilden. Leute, die es mit ihren Augen gesehen, haben es geschrieben und haben mir's zugeschworen. Aber für zehn Asper kann man alle Tage jemand haben, der sich dafür einen tüchtigen Schnitt in die Arme oder Lenden tut. Es ist mir lieb, daß wir die Zeugen gleich bei der Hand haben, wo wir ihrer am nötigsten bedürfen. Denn die Christenheit läßt uns daran gar keinen Mangel leiden, und hat es, nach dem Beispiel unseres heiligen Vorgängers, Leute bei Haufen gegeben, die aus Frömmigkeit haben das Kreuz tragen wollen. Wir wissen von glaubwürdigen Zeugen, daß unser König Ludwig der Heilige so lange ein Hemd von Haaren auf seinem bloßen Leibe trug, bis ihn im Alter der Beichtvater davon dispensierte, und daß er sich alle Freitage von seinem Priester mit fünf kleinen eisernen Ketten die Schultern geißeln ließ, welche man des Endes in seinem Bettsacke beständig mitführte.
    Wilhelm, unser letzter Herzog von Guyenne, Vater der Alienor, der dies Herzogtum an die Häuser England und Frankreich übertrug, trug die letzten zehn oder zwölf Jahre seines Lebens beständig einen Küraß unter einem Mönchskleid, zur Bußübung. Foulques, Graf von Anjou, tat die weite Reise bis Jerusalem, um sich dort von zweien seiner Bedienten am Grabe unseres Heilandes geißeln zu lassen, wobei er einen Strick um den Hals hatte. Aber sieht man nicht noch alle Karfreitage an verschiedenen Orten eine große Anzahl Weiber und Männer sich so wacker geißeln, daß zuweilen danach das Fleisch von den Knochen hängt? Dies hab' ich oft mit angesehen, und es war kein Augenverblenden. Man hat mir wohl gesagt, daß welche darunter gewesen (denn sie gehen verlarvt), welche es für Geld unternahmen, andre bei reiner Religion zu erhalten, durch Schmerzen oder Martern, die um so größer sein müssen, weil der Sporn der Religion mächtiger ist als der Stachel des Geizes.
    Q. Maximus begrub seinen Sohn, als er schon Konsul war, M. Cato den seinigen, da er zum Prätor bestimmt worden, und L. Paulus seine beiden Söhne, kurz hintereinander, mit gesetztem Gesicht und ohne ein Zeichen von Trauer sehen zu lassen. Ich sagte in meinen Jugendtagen von jemand im Spaß, er habe der Gerechtigkeit des Himmels Brillen verkauft. Denn, da er an einem Tage drei erwachsene Söhne durch gewaltsamen Tod verlor, welches man doch wohl für eine derbe Zuchtrute halten sollte, fehlte sehr
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