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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition)
Autoren: Siba Shakib
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mehr nach Hunger, sie ist gewaschen und trägt ein Kleid mit bunten Blumen, wie Eskandar noch nie eines gesehen hat. Ihre sauberen und geflochtenen Zöpfe liegen auf ihren Schultern, sie trägt ein neues Kopftuch, und ihre Augen sind wach und klar.
    Du hast Wasser getrunken, sagt Eskandar. Dein Atem duftet nach Essen, und du siehst so lebendig aus wie die Farangi hinter dem Berg.
    Das Beste aber ist, Sahra hat Essen mitgebracht. Richtiges Essen. Nichts Geklautes, keine vertrockneten Wurzeln und auch keine erschlagene Ratte oder Maus. Es ist richtiger Käse und richtiges Brot, was Eskandar sich in den Mund stopft.
    Sahra lächelt glücklich, und für Eskandar ist es, als wäre ein Wunder geschehen und die Krankheit seiner Mutter verschwunden. Er sieht den Fremden an, sieht das Essen, das Wasser, fühlt sich wie betäubt von den herrlichen Düften und Farben und beschließt, nicht zu fragen, wer der Fremde ist und mit welchem Recht seine Mutter mit ihm davongeritten ist. Stattdessen lächelt er und sagt, seit ich das Faack von den Farangi mitgebracht habe, bist du gesund, und wir haben Glück.

Zwei Tage, bevor Eskandars Mutter stirbt
     
    Trotzdem ist es für Sahra zu spät. Sowie sie einen Bissen hinunterschluckt, läuft sie hinter die Hütte und spuckt alles wieder aus. In ihrem Erbrochenen und ihrem Urin ist Blut, und die Schmerzen sind so stark, dass sie Lichtblitze sieht.
    Bevor es vorbei ist mit ihrem Leben, ruft Sahra die Nachbarn zu sich. Sie haben ein Recht zu erfahren, wer der Fremde ist und wie die Wahrheit über das Wasser, die Dürre und das Sterben aussieht. Mein Sohn soll nicht ein Leben lang die Last der Schuld seiner Mutter tragen müssen, sagt sie.
    Zuerst sind die Nachbarn skeptisch gegenüber dem Fremden, schließlich haben sie von ihm und seinesgleichen noch nie Gutes erfahren, aber dann zeigt sich, dass dieser Reiter ein guter Mensch ist. Er hat Tee, Rosinen und Brot mitgebracht, vier Krüge voll frischem Wasser und Holz zum Feuermachen.
    Unter dem verfallenen Vordach von Sarahs Hütte ist es still, als die Leute den Tee an den süßen Rosinen im Mund vorbeischlürfen und dabei genussvoll die Augen schließen.
    Mein Gewissen ist rein, sagt Hodjat. Ich bin ein Mann der Ehre und des Glaubens.
    Komm zur Sache, mahnt Morad-kadjeh. Mit großen Worten kannst du bei uns keinen Eindruck machen. Sieh uns an, der Allmächtige hat uns alles genommen, und so gibt es auch nichts mehr, was wir fürchten.
    Bis zum Morgengrauen, bis ihm die Zunge schwer wird und er die Augen kaum noch offen halten kann, erzählt Hodjat den Leibeigenen, dass es außer ihrem noch viele Arbab im Iran gibt, sie gehören unterschiedlichen Stämmen an und sind Besitzer von so vielen Dörfern, Feldern, Menschen und Tieren, von Bergen, Wasser, Wüste und Wald, dass nicht einmal sie selbst wissen, wo ihre Besitztümer anfangen und enden. Sie sind derart mächtig, erklärt Hodjat, dass selbst der König nichts gegen sie ausrichten kann.
    Als Hodjat den Leibeigenen berichtet, dass nicht Gott den Bach hat austrocknen lassen, sondern der Arbab den Lauf des Wassers zu den Farangi umgelenkt hat, wollen sie es ihm nicht glauben.
    Ein Mullah höchstpersönlich ist den weiten und gefährlichen Weg in unser Dorf gekommen und hat es uns erklärt, sagt Morad-kadjeh. Er hat gesagt, das ist die Strafe Gottes, weil wir gesündigt und Schuld auf uns geladen haben. Gott hat seine Jinn und Div geschickt, die das Wasser ausgetrunken haben. Morad-kadjeh sieht auf den Boden, als er sagt, wir haben uns gegenseitig beschuldigt, Blutsbande sind zerrissen, nun sollen wir glauben, es sei nicht Gott gewesen, der uns das Wasser genommen hat?
    Jinn und Div gibt es nicht, sagt Hodjat mit leiser Stimme. Gott ist für vieles verantwortlich, in Angelegenheiten aber, die mit Wasser zu tun haben, mischt er sich nicht ein.
    Ich habe es gewusst, sagt Sahra. Wäre er es, der uns das Wasser geraubt hat, an wen hätten unsere Kinder sich dann noch in der Not wenden können?
    Eskandar springt auf und ruft, vom Berg aus habe ich es mit eigenen Augen gesehen, das Wasser fließt in die neue Welt, die ich gefunden habe.
    Junge, benimm dich, ermahnt seine Mutter ihn. Sei still.
    Der Junge hat recht, sagt Hodjat. Der Arbab hat das Wasser zu den Ausländern umgelenkt.
    Morad-kadjeh stampft mit seinem Stock auf. Weiß der verehrte Arbab nicht, dass so viele von uns gestorben sind und der Rest auch bald tot sein wird?
    Als wäre es seine Schuld, weicht Hodjat dem Blick des Alten
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