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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition)
Autoren: Siba Shakib
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hat beinah Mitleid mit dem Reiter.
    Mit eigenen Augen habe ich gesehen, wie er wieder und wieder in den Dörfern kleine, unschuldige Mädchen zu sich aufs Pferd gehoben hat, er hat seinen Arm um ihre Taille gelegt, ihre Brüste berührt, und er hat gelacht, während er sie fest an sich und seine Lust gepresst hat. Die Väter der Mädchen haben gebettelt, er soll ihre Töchter verschonen und die Ehre der Familie nicht beschmutzen. Sie haben den Arbab beschworen, dass Gott es nicht gerne sieht, wenn ein Mann ein Kind zur Frau nimmt. Der Arbab aber hat die weinenden Eltern mit Tritten weggestoßen. Und ob es Gott gefällt, hat er gerufen, schließlich ist die schöne Aishe, die Lieblingsfrau des Propheten, auch nur sechs Jahre alt gewesen, als er sich in sie verliebt hat. Der Arbab hat den Hals des Mädchens geküsst, seine Hand unter ihre Röcke geschoben und gerufen, diese scheint bereits im geschlechtsreifen Alter zu sein. Dann hat er seinem Pferd die Sporen gegeben und ist mit ihr davongeritten. Im Winter haben die Reiter das Mädchen wiedergebracht. Sie hat ausgesehen wie eine alte Frau. Die Männer hatten ihr die Zähne ausgeschlagen, um ihre Lust in ihrem Mund zu befriedigen, und ihr Körper war übersät mit Wunden. Div und Jinn haben von ihrer Seele und ihrem Geist Besitz ergriffen, und sie hat nur noch im Schlaf geredet. Ihre Mutter hat gesagt, der Arbab hat mein Mädchen zur Frau gemacht und sie dann an seine Reiter verschenkt.
    Verdammt sollt ihr sein, flucht Sahra. Männer sind wilde Bestien.
    Verstehst du jetzt?, fragt Hodjat. Ich wollte nicht sein wie er. Der Harem, in dem ich aufgewachsen bin, war voll von Kindern wie mir. Und bis heute hat sich nichts daran geändert. Wenn die Kinder, die er mit den Frauen zeugt, Mädchen werden, verschenkt der Arbab sie entweder gleich weiter, oder sie werden wie ihre Mütter Dienerinnen für seine offiziellen Ehefrauen. Seine Söhne bleiben im Harem, bis sich zeigt, ob sie als Arbeiter oder Reiter zu gebrauchen sind.
    Ich habe Hunger, sagt Sahra. Bist du gekommen, um mein Elend zu sehen und mir Geschichten zu erzählen, oder kannst du mir helfen?
    Ich bin ein Mann, verteidigt Hodjat sich. Ich hatte und habe Empfindungen und Bedürfnisse. Deine Schönheit hat mich betört, und ich hätte dir die Sterne vom Himmel geholt, sagt er und sieht auf den Boden. Deinetwegen hatte ich schlaflose Nächte.
    Schlaflose Nächte?, sagt Sahra lachend. Sie genießt ihren eigenen Mut.
    Den Kampf mit Säbel und Messer habe ich gelernt, und ich bin ein meisterhafter Schütze, mit der Schrotflinte treffe ich jedes Ziel. Der Arbab hat jede wichtige Depesche von mir überbringen lassen. Ich bin nach Teheran, in die Hauptstadt, und sogar in den von den Russen besetzten Norden unserer Heimat geritten. Weder die Soldaten der Farangi fürchte ich noch die der Kosakenbrigade des Königs. Seit ich vor dem Arbab und meinen früheren Reiterbrüdern auf der Flucht bin, habe ich mit wilden Tieren gekämpft und Hitze und Kälte ertragen.
    Ich habe Hunger, wiederholt Sahra.
    Nach alledem hocke ich vor dir, einer schwachen Frau, einer Leibeigenen, und weiß nicht, wie es weitergehen soll mit mir und meinem Leben, klagt Hodjat und sieht Sahra ratlos an.
    Von mir kannst du keinen Trost erwarten. Du siehst es ja, in mir ist so wenig Leben wie in diesen ausgedorrten Feldern.
    Mit einem Mal erhebt Hodjat sich, nimmt die Hand von Sahra, die so rau und schwielig ist, dass er sich zwingen muss, sie nicht gleich wieder loszulassen, hilft ihr auf die Beine und sagt, es ist nie zu spät.
    Genau in dem Moment, als er Sahra auf sein Pferd hilft, selbst aufsteigt und mit ihr davonreitet, kommt Eskandar, bewaffnet mit seiner Steinschleuder, aus dem Dorf, um Jagd auf Nachtvögel und anderes Kleingetier zu machen. Er sieht seine Mutter und kann nicht glauben, dass sie die Unverfrorenheit besitzt, sich mit einem wildfremden Mann davonzumachen. So schnell er kann, rennt er hinter ihr her, stolpert, fällt, steht wieder auf, kann aber nur noch zusehen, wie der Reiter mit seiner Mutter verschwindet. Eskandar läuft zurück in seine halb verfallene Hütte, wirft sich auf das alte Stroh in seiner Schlafecke und weint so lange, bis er einschläft.
    Erst als die Schakale der Wüste längst nicht mehr heulen und die Geier am Himmel ihre ersten Schreie ausstoßen, kommt Sahra zurück in ihre verfallene Hütte; und sie hat den Fremden dabei. Eskandar kann nicht glauben, dass es seine Mutter ist, die vor ihm steht. Sie riecht nicht
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