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Es tut sich was im Paradies

Es tut sich was im Paradies

Titel: Es tut sich was im Paradies
Autoren: Mary Scott
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sogar der Grund, weshalb sie so jung und frei von Bitterkeit geblieben war, räumte er innerlich widerstrebend ein.
    »Ich wollte, er hätte noch nicht sterben müssen«, sagte sie wehmütig.
    »Aber sein Ende kam so, wie er es sich immer gewünscht hatte. Er saß in seinem Lehnstuhl, plauderte mit mir und scherzte... und er war ja auch zweiundachtzig. Er hätte nie ertragen, nach und nach schwächer und schließlich gänzlich hilflos zu werden... Ach, und tausend Pfund sind auch nicht zu verachten!«
    »Dann verpulvere sie nicht leichtsinnig. Klug angelegt können sie dir auf Lebenszeit jährlich vierzig Pfund Zinsen einbringen, und das würde zusammen mit dem kleinen Betrag aus dem Nachlaß deines Vaters — «
    »Ja, ja, ich weiß«, unterbrach ihn Pippa und nickte bedächtig mit ihrem braunen Lockenkopf, »und das würde Sicherheit bedeuten, >Sicherheit< groß geschrieben. Ich könnte dann noch ungefähr vierzig Jahre lang Sekretärin bleiben... Warte mal, Sozialrente bekommt man, wenn man sechzig ist, nicht wahr? Wieviel macht sechzig minus sechsundzwanzig, James?«
    »Vierunddreißig«, antwortete er automatisch und ärgerte sich sofort, als er merkte, wie ihre Mundwinkel zuckten und ihre Augen sprühten. Sie machte sich tatsächlich über ihn lustig, weil sie ganz genau wußte, wie sie immer wieder den Schulmeister in ihm herausfordern konnte. Und es gelang ihm einfach nicht, zu widerstehen, er mußte sie stets belehren.
    »Ja, eine glorreiche Aussicht, aber sie gefällt mir trotzdem nicht, und ich bin überzeugt, Mr. Murdoch hätte sie ebensowenig zugesagt. Er fand es großartig, wenn jemand etwas riskierte, und schließlich ist es ja sein Geld, deshalb sollte ich doch in seinem Sinne handeln.«
    Ein Musterbeispiel von Pippas Logik, dachte James mit saurer Miene und wollte eben seine Gedanken laut äußern, als sie auch schon weiterredete: »Bestimmt wollte er, daß ich mit dem Geld eine Leihbibliothek aufmache, und dafür schenkte er mir auch die vielen Bücher. Wir haben uns so oft über diese komischen kleinen Bücherstuben unterhalten, und einmal sagte er zu mir: >Das wäre später eine Aufgabe für Sie, mein Kind. Da könnten Sie das Leben studieren<.«
    »Ich sollte meinen, du hättest genug Leben studiert und trügst kein weiteres Verlangen danach.«
    »Leben?« echote Pippa, und ihr Gesicht überflog ein flüchtiger Schatten. »Glaubst du wirklich, daß ich das Leben kennengelernt habe, James?«
    Er rückte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. Plötzlich kam ihm zum Bewußtsein, woraus ihr Dasein bisher bestanden hatte, trotz ihrer stets strahlend fröhlichen Miene. Das phantasielose Einerlei im Büro, Tag für Tag, und Pippa haßte Eintönigkeit. Die einsame kleine Wohnung, in die sie abends heimkam, ein neues Kleid, das sie sich nur durch monatelanges Sparen erstehen konnte, in ständiger Ungewißheit, ob ihr für den kurzen jährlichen Urlaub auch noch genug übrigblieb. Allerdings, er hatte sich nach besten Kräften um sie gekümmert, ihr bißchen Geld verwaltet, dafür gesorgt, daß sie sich weiterbildete und sich nicht einfach treiben ließ, sie abends manchmal ausgeführt, wenn ihn gerade nichts Dringendes abhielt, sich ihre kleinen Beichten angehört und vor allen Dingen versucht, ihr nützliche Hinweise zu geben. Aber sie hatte über seine Belehrungen immer gelacht, genau wie jetzt auch.
    »Stell dir nur vor, wieviel Spaß es machen wird, ständig neue Menschen kennenzulernen, zu erfahren, was sie bedrückt, und ihnen dann mit Rat und Tat beistehen zu können!«
    »Davon wirst du hoffentlich die Finger lassen«, mahnte James streng. »Eine Groschenbibliothek ist nicht dazu da, Unheil zu stiften.« Worauf er mit beharrlicher Zähigkeit wieder zum Geschäftlichen zurückkehrte. »Das Ganze ist überhaupt eine hirnverbrannte Idee. Diese kleinen Leihbüchereien schnüren sich gegenseitig die Luft ab, in jeder Vorstadt gibt’s Dutzende von der Sorte. Du wirst damit nie auf einen grünen Zweig kommen.«
    »Mag ja sein, aber ich gehe auch nicht in eine Vorstadt, sondern in ein nettes kleines Dorf irgendwo auf dem Lande.«
    »Auf dem Lande?« Jetzt war er völlig sprachlos. Pippa, die genau wie er in der Großstadt aufgewachsen war, was in aller Welt wollte ein Mädchen wie sie auf einem Dorf anfangen? Und zu seiner eigenen Überraschung mußte er feststellen, daß ihm dieser Gedanke ganz und gar nicht behagte, mochte auch die Sorge um sie oft ermüdend und lästig sein. Aber das Gefühl, sie
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