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Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Titel: Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman
Autoren: Frank Spilker
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nie bist.«
    »Und wer ist es? Kennst du ihn?«
    »Nö.«
    »Wie sieht er aus?«
    »Weiß nicht, so ein blonder Norddeutscher.«
    »So wie du?«
    »Nein, größer und schlanker. So ein ganz normaler Typ mit Durchschnittsauto und geregeltem Leben.«
    »Es interessiert mich nicht.«
    »Aber das kannst du nicht beweisen.«
    Ein Schlag in die Magengrube. Jimi sieht es mir an und sagt eine Weile nichts. Während es in meinem Kopf rattert und bohrende Fragen auftauchen, die mir der verletzte Stolz und die Eifersucht eingeben, wird mir zu meiner Überraschung aber klar, dass inzwischen alles schon weniger schlimm ist. Heftig zwar, doch schon mit einem Beigeschmack des Vergangenen. Noch fünfzig Jahre, und mir ist egal, mit welchem blonden Norddeutschen sie herumhängt und welches Auto der fährt.
    Ich werfe einen Blick in die Runde, um den Weg zurück in die Realität zu finden. Die Wolken hängen tief und bedrohlich über der aschgrauen Siebziger-Jahre-Betonkonstruktion ohne Dach. Die metallenen Boxen dröhnen die Balla-Balla-Musik in den wehrlosen Weltraum. Langsam organisiert sich am Himmel ein Nieselregen. Ich beobachtete die Jugend beim Flirten auf Schlittschuhen und wünsche mir, dass sie dabei auf die Fresse fällt.
    »Es …«, sagt Jimi und macht eine Kunstpause, weil er weiß, dass er mit der folgenden Bemerkung noch eine Schippe oben drauf legen wird: «… Es ist auch schon eine Weile her.«

    Ich versuche mir immer ein Bild vorzustellen, zu allem. Eine Berufskrankheit. Andrea und mich habe ich mir am Anfang als Tiere vorgestellt. Je nachdem, wie die Stimmung zwischen uns war, als Flughörnchen, Krebse oder Warzenschweine. Manchmal auch als Vögel. Dann als Pflanzen. Als seltene Orchideen oder als Pampasgras. Irgendwann habe ich dann davon abgesehen, mir uns als belebte Materie vorzustellen. Stattdessen wurden wir zu zwei Reagenzgläsern im Labor eines verrückten Wissenschaftlers. Nein: Er ist nicht verrückt. Er ist so wie die Natur, die Evolution an sich. Wir sind eine Testreihe von, sagen wir, fünfhunderttausend Reagenzgläsern. Irgendwann in grauer Vorzeit sind zwei oder drei flüssige Substanzen miteinander vermischt, geschüttelt und dann irgendwo abgestellt worden. Die Veränderungen wurden beobachtet und dokumentiert. Bei Andrea und ungefähr dreihunderttausend anderen, also bei der Mehrheit, lief alles so wie vorhergesagt, bei den anderen, zu denen auch ich unglücklicherweise gehöre, nicht. In Andreas Gruppe wurde aus den Flüssigkeiten durch die chemische Reaktion irgendwann nach langer, langer Zeit eine Art Gelee. Als das vollbracht war, konnte man davon ausgehen, dass sich die Substanzen weiterentwickeln und kristalline Strukturen herausbilden würden, die dann später fest werden würden wie Stein. Und so kam es auch. In meiner Gruppe hat sich dagegen die ganze Zeit nichts getan. In den meisten unserer Reagenzgläser schwappt immer noch eine undefinierbare Flüssigkeit, nur einige wenige werden sich in grauer Zukunft vielleicht noch in etwas Festes verwandeln, aber es gibt wenig Hoffnung. Da hilft auch kein Schütteln.
    E-Mail Andrea an Thomas, 16 . 5 . 2010 , 15 : 45 Uhr und 9 Sekunden:
    Hallo Thomas,
    kannst Du nachher auf dem Rückweg noch ein Geschenk für Claas mitbringen?
    Bis nachher
    Kuss, A.

    E-Mail Thomas an Andrea, 16 . 5 . 2010 , 16 : 20 Uhr und 45 Sekunden:
    Hallo Andrea,
    Huh – eh. War das heute?
    T.

    E-Mail Andrea an Thomas, 16 . 5 . 2010 , 16 : 21 Uhr und 58 Sekunden:
    Du hast es vergessen!!!

    E-Mail Thomas an Andrea, 16 . 5 . 2010 , 17 : 39 Uhr und 30 Sekunden:
    Nicht direkt vergessen, aber ich wusste nicht mehr, dass das heute ist. Scheiße. Ich komme hier heute Abend auf gar keinen Fall vor zehn Uhr raus.

    E-Mail Andrea an Thomas, 16 . 5 . 2010 , 17 : 51 Uhr und 11 Sekunden:
    Kannst Du Dir überhaupt irgendetwas merken? Wie machst Du das denn in Deinem Job? Schreibst Du Dir gar nichts auf? Ist Dir nicht klar, wie unhöflich das ist? Das ist ein Abendessen, und wir sind für acht Uhr eingeladen, da kannst Du nicht erst um elf auftauchen.

    E-Mail Thomas an Andrea, 16 . 5 . 2010 , 18 : 24 Uhr und 45 Sekunden:
    Ich ruf Dich gleich an.

    E-Mail Andrea an Thomas, 16 . 5 . 2010 , 18 : 25 Uhr und 50 Sekunden:
    Ja, besser!
    Sie konnte es nicht aushalten, wenn ich unsere Termine verschlampte. Ich tat das leider sehr oft. Es war die Zeit, als wir versuchten, die finanziellen Probleme dadurch zu lösen, dass wir immer mehr und dadurch auch immer schlampiger arbeiteten. Eine
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