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Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Titel: Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman
Autoren: Frank Spilker
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nur dadurch unterscheidet, dass sie keinen Nippes sammelt und keine Gardinen mehr hat. Die Loser fallen nicht mehr so auf, aber trotzdem scheinen es immer mehr zu werden.
    Eines der Fenster, an denen wir vorbeikommen, ist besonders trostlos. Allem Anschein nach handelt es sich um ein leer geräumtes ehemaliges Wohnbüro. Ein Haufen toter Fliegen liegt auf dem Fensterbrett, während etliche ihrer lebenden Verwandten nach einem Ausweg aus dem Raum zu suchen scheinen, den es wohl schon lange nicht mehr gibt. Ich will nicht wissen, woher sie kommen, kann den Gedanken daran aber nicht ganz unterdrücken. Die Fensterscheibe ist staubig, man kann kaum hindurchsehen, eine Oase der Trockenheit inmitten all des Wässrigen, das diese Stadt ausmacht. Die Trockenheit kann ebenso Tod bringend sein wie das Wasser. Die Kunst besteht darin, sich zwischen den beiden Zuständen hindurchzumogeln, genug Feuchtigkeit abzubekommen, um weiterleben zu können, und trotzdem zu atmen.
    »Vielleicht sollten wir gar nicht essen gehen, sondern was trinken?«
    »Na klar, Troppelmann, wenn das jetzt schon um diese Zeit losgeht, dann gute Nacht, Marie.«
    »Kein Alkohol. Einfach Wasser oder so.«
    »Um dann wieder hungrig ins Büro zurückzukehren? Hör auf mit dem Schwachsinn und lass uns bei Darius lieber anständige Polenta essen.«
    Wie immer klingt Matthias absolut vernünftig. Vielleicht zu vernünftig für mich. Vernunft, das ist doch nichts anderes als die ödeste Realität.
    Das vermehrte Auftreten von Hundehaufen zeigt uns das Erreichen einer angesagteren Gegend an. Hundehalter gehen auch lieber dort spazieren, wo was los ist. Keiner, der hier lebt, kann nachvollziehen, was so interessant sein soll an Leuten, die auf der Suche nach anderen Leuten sind. Aber sie sind immer unterwegs: Männer auf der Suche nach Frauen, Frauen auf der Suche nach Männern, Männer auf der Suche nach Männern und Frauen auf der Suche nach Frauen. Geschäftsleute auf der Suche nach Geschäftsleuten, Randalierer auf der Suche nach Ärger und Junkies auf der Suche nach Stoff. Immerhin strengen sich alle an – alle bis auf die Junkies –, dabei nicht total bescheuert auszusehen.
    Andererseits: Auf genau so einem Spaziergang habe ich vor einigen Wochen Cole getroffen, einen der erfolgreichsten Musiker der Stadt. An der Eisdiele, beim Gemüsestand oder irgendwo dazwischen. Wir haben über nichts Besonderes geredet, schon gar nicht über das Geschäft. Aber wenig später hat mich sein Manager angerufen, Frank. Sie hätten einen größeren Auftrag zu vergeben und zufällig an mich gedacht. Es handelt sich um ein beachtliches Budget, das bei der neuen CD -Produktion von Cole für das Artwork zur Verfügung steht. Immerhin bahnt sich auf diese Weise also ab und zu etwas an, auch wenn aus Franks Ankündigung bisher nichts Konkretes gefolgt ist.
    In unserem Stammlokal, dem Marie van Meer, finden wir wie immer sofort einen Platz, obwohl es überfüllt zu sein scheint. Wo früher Musiker und Künstler rumhingen, sitzen heute diejenigen, die sich von der »kreativen Umgebung« angezogen fühlen. Wer jetzt immer noch keine Bilder verkauft oder mit seinen Konzerten Kneipen füllt, muss sich wohl woanders was zum Essen suchen. Die Preise steigen. Und mit ihnen das Niveau. Aber das ist nicht von Dauer. Wenn sich die höheren Preise durchgesetzt haben, wird das Niveau wieder sinken. Am Ende wird alles einfach nur teurer geworden sein. Wer zur Hölle hat eigentlich mit diesem Scheiß angefangen?
    »Willst du nichts essen?« Darius, der Kellner, steht in seinem schürzenartigen grünen Gewand vor mir, auf dem der Schriftzug des Marie van Meer prangt. Offensichtlich habe ich den Moment des Bestellens verpasst. »Oder glaubst du, du wirst von einem Glas Wasser satt?«

4
    Eine Tradition, von der mich nicht mal ein gebrochenes Bein entbinden könnte, ist das jährliche Treffen mit Jimi auf der Eisbahn in den Großen Wallanlagen. Es wird niemals abgesagt, egal in welchem Zustand wir uns jeweils befinden. Das ist ja auch der Sinn einer Tradition.
    Mein vorsichtiger Versuch, gleich am Anfang klarzustellen, dass ich dieses Mal eigentlich keine Zeit habe, wird von Jimi in seiner typischen Art abgeschmettert. »Na, dann kannst du ja gleich wieder abhauen!«
    »Du hast recht, Entschuldigung – ich reiße mich ja schon zusammen.«
    Mein bester Kumpel sieht aus wie eigentlich immer. Seine Hosen sind genauso verschlissen wie die Jacke, die er trägt. Von Letzterer ist nicht zu vermuten, dass
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