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Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Titel: Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman
Autoren: Frank Spilker
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alles einfach irgendwie hinein. Die defekten Hüllen müssen wir später irgendwann mal aussortieren.

    Klick.
    Als ich wieder am Schreibtisch sitze, betrachte ich nachdenklich den Poststapel. Könnte es sein, dass ich etwas übersehen habe? Einen Brief von der Hausverwaltung hätte ich doch auf jeden Fall zur Kenntnis genommen. Oder nicht? Zögernd nehme ich einige Umschläge in die Hand und öffne sie umständlich. Die ersten drei Schreiben sind deprimierend langweilig, und ich merke, dass mir jetzt die Kraft fehlt, um alles durchzusehen. Für den Fall, dass der Vermieter sich entschlossen hätte, uns loszuwerden, würde das Auffinden des Vertrages ja jetzt auch nichts mehr nützen.
    Klick.
    Klack …
    Wieso »Klack«? Es ging doch »Klick«? Und noch einmal.
    Klack …
    Es könnte ein Stein gewesen sein, der auf den Schreibtisch gefallen ist. Tatsächlich liegen dort einige Krümel des Mauerwerks.
    Kracks.
    Schon wieder. Ich blicke nach oben zur Deckenverkleidung, die schon immer etwas schief herunterhing. Bisher hat es mich nie gestört, im Gegenteil. Sie scheint leicht zu schaukeln. Ein Seitenblick auf die Jalousien bestätigt mir, dass das Schaukeln auch vom Windstoß herrühren könnte, der plötzlich durchs Büro fegt, weil irgendjemand die Tür zum Flur offen gelassen hat, aber genau in diesem Moment landet schon wieder ein Stückchen bröseliger Beton auf dem Schreibtisch, dieses Mal in einem Wasserglas, das neben dem Monitor steht. Gleich darauf und direkt daneben ein weiterer Einschlag.
    Mein Blick wechselt zwischen dem Schutt auf dem Schreibtisch und der Deckenverkleidung hin und her. Die Gesteinsbrocken müssen ja von oben kommen, aber dort ist nichts zu erkennen. Wieder und wieder kracht es, bis aus den einzelnen, voneinander unterscheidbaren Detonationen ein gleichmäßiges Prasseln wird, dann ein Rauschen, und plötzlich klingt es so, als würde sich ein Kieslaster seiner Fracht entledigen und die gesamte Deckenverkleidung mit einem Mal herunterkommen. Ich rette mich unter den Tisch, so wie ich es in einem japanischen Erdbebenvideo gesehen habe. Staub und Dreck benebeln mir die Sicht und dringen in Mund und Nase ein.
    Einige Zeit später, für mich eine Ewigkeit, kommt Matthias zu mir unter den Tisch gekrochen und fragt, ob alles in Ordnung sei. Ich stehe langsam auf. Der Raum verschwimmt vor meinen Augen, und so lasse ich mich zur Sicherheit wieder auf meinen Schreibtischstuhl fallen. Etwas Flüssiges soll mir helfen, den Staub herunterzuspülen, von dem ich noch nicht einmal sicher weiß, ob er echt ist. Das Wasser aus dem Glas neben dem Monitor schmeckt scheußlich, wie aus einem Brunnen, in dem ein Tier verwest. Es hat wohl zu lange gestanden.
    Matthias ist der Einzige, den ich hier noch sicher auf meiner Seite weiß. Während alle anderen wirtschaftlich davon abhängig sind, was sie hier tun, ist Matthias lediglich so etwas wie ein Hobby-Grafiker. Sein eigentliches Geschäft ist das Auflegen von Platten auf Großveranstaltungen. Mit anderen Worten, er ist ein DJ -Star. So hoffnungslos überbezahlt wie unter der Woche unterbeschäftigt, weshalb er sich gern bei uns herumtreibt. Er trägt einen dünnen knallgelben Schal, beinahe eher ein Halstuch. Ein Accessoire, das mir so noch nie aufgefallen ist, aber wenn Matthias es trägt, bedeutet das wahrscheinlich, dass man es in nächster Zeit häufiger zu sehen bekommt. Matthias nutzt die Zeit, die er auf Flughäfen oder in den hippen Einkaufsvierteln europäischer Großstädte verbringt, dazu, sein frisch verdientes DJ -Geld in Mode zu investieren. Entsprechend vielseitig ist seine Garderobe. Man sieht ihn nie zweimal in demselben Outfit, schon gar nicht an zwei aufeinanderfolgenden Tagen.
    Es stellt sich heraus, dass er essen gehen will. Ich quäle mich von meinem Sitzmöbel hoch und suche meine Sachen zusammen. Alle kommen mit. Alle bis auf Caren, die ohne Regung einfach sitzen bleibt, und Claudio, der fast immer Migräne hat.
    Im Novembergrau latschen wir den kurzen Weg vom Büro zu unserem Stammrestaurant. Die Fenster in den Wohnhäusern sind grau und leer, die meisten Menschen sind bei der Arbeit. Mir fällt auf, dass es in diesem Viertel immer weniger vergilbte Gardinen gibt, welche die mit Nippes voll gestellten Fensterbänke verdecken. Noch vor ein paar Jahren war das ganz anders. Die alteingesessenen Raucher und Alkoholiker geben nach und nach den Löffel ab, und eine neue Generation von Verlierern rückt nach, die sich von der vorangegangenen
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