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Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Titel: Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman
Autoren: Frank Spilker
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Schreibtisch fallen und ist schon im Begriff, wieder zu gehen, dreht sich aber in der Tür noch einmal zu mir um.
    »Ey, Troppelmann, was machst du gerade?«
    »Ich starre die Wand an.«
    Wahrscheinlich kenne ich den Typen irgendwoher, ich kann mich aber nicht an ihn erinnern.
    Er kichert wie über einen tollen Witz. »Groß, echt groß. Und heute Abend?«
    Jetzt erkenne ich das Gesicht doch wieder, es gehört irgendwie zum Nachtleben. »Weiß noch nicht, vielleicht starre ich einfach weiter die Wand an.«
    »Irgendwann musst du mal hier raus. Wir legen heute Abend in der Hamster Bar auf, komm doch vorbei. Da kannst du auch die Wand anstarren.«
    »Wow, klingt toll. Aber wer ist wir?«
    »Willi, mein Kollege, und ich. Wird voll.«
    Ich gestikuliere vage, dass ich darüber nachdenken werde, und deute eine Bewegung des Aufstehens an, um ihn loszuwerden. Er legt mir noch einen Flyer hin, sodass ich eine Chance habe zu erraten, wie sein DJ -Name lautet. Der andere Typ auf dem Foto muss Willi sein.
    Mein Blick schweift über das Tal mit dem endlos scheinenden Wald. Von einem Bachlauf, der sich zwischen zwei Hügeln ins ferne Flache windet, führen Wege die Hänge hinauf. Dort stehen Häuser, die auch eine Modelleisenbahn schmücken könnten. Eine Gruppe von Kindern geht den Bach entlang auf eine Kirche zu, die in einiger Entfernung den Mittelpunkt eines Ortes markiert. Es sind Pfadfinder oder etwas Ähnliches. Sie marschieren in Zweierreihen und tragen rote oder blaue Hemden sowie Halstücher. Auch ich bin unter ihnen. Ich muss die Hand eines Mädchens halten, das neben mir geht.
    Irgendwann im Lauf des Tages sinkt der allgemeine Blutzuckerspiegel im Büro, und die Arbeit wird fahriger. Ich kann es sehen, während ich mich durch die Reihe der Monitore bewege. Nur wenige schaffen es jetzt kurz vor der Mittagszeit noch, sich zu konzentrieren.
    Martin, der einen kleinen Tisch hinten in der Ecke hat und gelegentlich auch in dem Tonstudio arbeitet, sieht wieder einmal davon ab, mich zur Kenntnis zu nehmen. Er ist eigentlich Musiker, der versucht, sich hier ein zweites Standbein zu schaffen. Der große, bullige Typ hat vor einiger Zeit beschlossen, mich zu ignorieren, obwohl wir mal so was wie befreundet waren. Er ist sauer auf mich und lässt mich das tagtäglich spüren, weil er der Meinung ist, ich hätte ihn unter dem Vorwand, ihm gelegentlich Jobs besorgen zu können, dazu ermutigt, hier seinen Schreibtisch aufzustellen. Die Aufträge hätten sich dann aber nicht eingestellt, jedenfalls nicht in dem Umfang, der die Ausgaben für seinen Arbeitsplatz rechtfertige. Dabei sind die Preise für einen Schreibtisch in unserem Büro wirklich nicht hoch. Seine Laune verschlechtert sich von Tag zu Tag. Er sitzt nur noch seine Zeit ab und hat seit drei Monaten keine Miete mehr bezahlt. Selbst seine Freunde aus dem Tonstudio lassen mich in der Regel nur zwei Monate warten.
    Langsam glaube ich, dass Martin vielleicht nur deshalb auf mich sauer ist, damit ich nicht sauer auf ihn sein kann und die Miete einfordere. Es ist ein Appell an mein schlechtes Gewissen. Untervermietung ist der einfachste Weg, Freundschaften zu zerstören.
    An den Wänden hängen unsere Werke der letzten Zeit, Plakate von Bands und Werbung für Alben. Außerdem einige Poster von besonders peinlichen Kurzzeitstars mit absurden Frisuren oder Klamotten, die irgendwie aus dem Ruder gelaufen sind. Überbleibsel abendlicher Sektlaunen, kleiner spontaner Partys, die hier in ziemlich regelmäßigen Abständen stattgefunden haben. Von Zeit zu Zeit, aber selten, erbarmt sich mal einer und nimmt die ältesten und schlechtesten Witze von der Wand ab.
    Auf der linken Seite meines Schreibtischs hat sich ein ziemlich großer Haufen gebildet: ungeöffnete Briefe, von denen ein Teil aus der Zeit stammt, als ich wegen Andrea die Verwaltungsaufgaben nicht mehr ernst genommen habe. Ich versuche vergeblich, den Stapel nicht weiter anwachsen zu lassen. Es wird Zeit, dass ihn endlich einer abarbeitet.
    Vielleicht fange ich morgen damit an.
    Vielleicht aber auch nicht.

    Plötzlich wird die Tür aufgerissen und zwei Typen stürmen in den Raum: Dimitri und ein anderer Musikproduzent namens Nick. Im Flur sehe ich Martin unauffällig herumschlurfen. Vor meinem geistigen Auge erscheint eine energische Vorzimmerdame:
Nein, nein – Sie können hier jetzt nicht einfach rein! Herr Troppelmann ist in einer wichtigen Besprechung.
    Lassen Sie nur, Eleonora, ist schon gut
, imaginiere ich als
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