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Erzählung

Erzählung

Titel: Erzählung
Autoren: Gabriel Marcel
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der Freisprechung von vier Angeklagten und der Verurtheilung anderer Sechs zum Tode wegen des Verbrechens der Desertion und Wegnahme des ihnen anvertrauten Schiffes. Vier der Verurtheilten wurden an Bord eines Kriegsschiffes durch den Strang gerichtet, Stewart und Peter Heywood aber, deren Unschuld endlich an den Tag kam, vollkommen begnadigt.
    Was war aber aus der »Bounty« geworden? Hatte sie mit dem Reste der Rebellen Schiffbruch gelitten? Darüber wußte Niemand auch nur das geringste.
    Im Jahre 1814, fünfundzwanzig Jahre nach den im Anfang dieser Erzählung geschilderten Auftritten, kreuzten unter Befehl des Kapitän Staines zwei englische Kriegsfahrzeuge in Oceanien. Sie befanden sich eben im Süden des Gefährlichen Archipels und in Sicht einer bergigen Insel vulcanischen Ursprungs, die schon Carteret bei seiner Erdumsegelung entdeckt und der er den Namen Pitcairn gegeben hatte. Sie bildete nur einen Kegel fast ohne Vorland, der sich steil aus dem Meere erhob und den bis zum Gipfel Palmenwälder und Dickichte von Brotfruchtbäumen bedeckten. Nie war diese Insel bisher besucht worden; sie lag 1200 Meilen von Tahiti unter 25°4’ südlicher Breite und 180°8’ westlicher Länge, maß nur vierundeinhalb Meilen im Umfange, anderthalb Meilen der Länge nach und war nicht weiter bekannt, als was der Bericht Carteret’s über dieselbe enthielt.
    Kapitän Staines beschloß, sie näher zu untersuchen und nach einem einigermaßen brauchbaren Landungsplatz an derselben auszuspähen.
    Bei Annäherung an die Küste erstaunte er nicht wenig, Hütten und Anpflanzungen zu erblicken, während zwei Eingeborne vom Strande aus in ein Boot eilten, geschickt durch die Brandung ruderten und auf sein Schiff zukamen. Sein Erstaunen hatte aber keine Grenzen, als er sich plötzlich in reinstem Englisch anrufen hörte:
    »He, Ihr da, werft uns doch ein Seil zu, damit wir an Bord kommen können!«
    Kaum auf das Deck gelangt, wurden die beiden handfesten Ruderer von den erstaunten Matrosen umringt und mit einem Schwall von Fragen bestürmt, die sie kaum zu beantworten vermochten. Der Commandant ließ sie vor sich führen und fragte sie nun erst ordentlich aus.
    »Wer seid Ihr?
    – Ich heiße Fletcher Christian und mein Kamerad heißt Young.«
    Diese Namen hatten für Kapitän Staines, dem es gar nicht einfiel, an die Ueberlebenden der »Bounty« zu denken, keinerlei Bedeutung.
    »Seit wann seid Ihr hier?
    – Wir sind hier geboren.
    – Wie alt seid Ihr?
    – Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt, antwortete Christian, und Young achtzehn.
    – Wurden Eure Eltern durch einen Schiffbruch auf diese Insel verschlagen?«
    Christian machte dem Kapitän auf diese Frage ein erschütterndes Geständniß, das in der Hauptsache wie folgt lautete:
    Als er von Tahiti unter Zurücklassung von einundzwanzig Kameraden wegsegelte, steuerte Christian, der einen Bericht der Reise Carteret’s auf der »Bounty« fand, direct nach der Insel Pitcairn, deren Lage ihm für seine Zwecke besonders geeignet schien. Achtundzwanzig Personen befanden sich damals auf der »Bounty«. Es waren das Christian, der Aspirant Young nebst sieben Matrosen, sechs von Tahiti mitgenommene Eingeborne, davon drei mit ihren Frauen und einem zehnmonatlichen Kinde und endlich drei Männer und sechs Frauen aus Rubuaï.
    Sobald sie die Insel Pitcairn betreten, war es Christian’s und seiner Gefährten erste Sorge, die »Bounty« zu zerstören, um nicht durch das Schiff verrathen zu werden. Freilich beraubten sie sich damit jeder Möglichkeit, die Insel je wieder verlassen zu können, doch erheischte die Sorge für ihre Sicherheit diese Maßregel, zu der sie sich immerhin nur ungern entschlossen.
    Die Ansiedelung der kleinen Kolonie verursachte jedoch manche Schwierigkeiten, da es sich um Leute handelte, welche meist nur die Gemeinsamkeit eines Verbrechens aneinander kettete. Zwischen Tahitiern und Engländern kam es bald zu blutiger Fehde. Im Jahre 1794 lebten nur noch vier von den Meuterern. Christian fiel unter dem Messer eines Eingebornen, den er halb gewaltsam mit hierhergebracht hatte. Dafür büßten wieder alle Tahitier mit dem Tode.
    Einer der Engländer, dem es geglückt war, aus der Wurzel einer einheimischen Pflanze ein spirituöses Getränk herzustellen, ergab sich einer maßlosen Trunksucht und stürzte sich zuletzt, während eines Anfalles von
Delirium tremens
, von einem Uferfelsen in’s Meer.
    Ein Anderer wurde wahnsinnig und packte einst Young und einen Matrosen,
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