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Erzählung

Erzählung

Titel: Erzählung
Autoren: Gabriel Marcel
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Meuterer dem Kapitän Bligh und dessen unglücklichen Gefährten ein spöttisches Lebewohl zuriefen, konnte Christian, der an der Schanzkleidung lehnte, die Augen von der sich entfernenden Schaluppe nicht abwenden. Der brave Officier, dessen bisher so loyales und freimüthiges Verhalten ihm das Lob aller Befehlshaber, unter denen er gedient, erworben hatte, war heute doch weiter nichts als der Anführer einer Bande von Seeräubern! Ihm war es nicht mehr vergönnt, seine bejahrte Mutter, die trauernde Braut oder die Ufer der Insel Man, seiner Heimat, je wiederzusehen. Er fühlte sich gesunken in der eigenen Achtung, entehrt in den Augen aller Anderen! Die Reue folgte schon auf den Fehltritt.
Zweites Capitel.
Die Ausgesetzten.
    Mit ihren achtzehn Insassen, Officieren und Matrosen, und dem nur geringen Vorrath an Proviant, ging die Schaluppe, welche Bligh jetzt trug, doch so tief, daß sie die Meeresoberfläche kaum um fünfzehn Zoll überragte. Bei einer Länge von einundzwanzig und einer Breite von sechs Fuß erschien sie zwar ganz geeignet zum Dienste der »Bounty«; aber eine so zahlreiche Besatzung zu tragen und eine so weite Fahrt zurückzulegen, konnte man wohl kaum ein ungeeigneteres Fahrzeug finden.
    Im Vertrauen auf die Energie und Geschicklichkeit des Kapitän Bligh sowohl, als der mit ihnen das gleiche Los theilenden Officiere, ruderten die Matrosen kräftig, und schnell durchschnitt die Schaluppe die Wellen.
    Bligh war sich von Anfang an klar, was er zu thun habe. Zunächst galt es, so schnell als möglich die Insel Tofoa, die erste des benachbarten Archipels der Freunde, wieder zu erreichen, die sie erst wenige Tage vorher verlassen hatten; dort gedachte er Brotbaumfrüchte einzunehmen, den Wasservorrath zu erneuern und von da aus nach Tonga-Tabu zu steuern. Auf letzterer vermochte man sich zweifelsohne eine genügende Menge an Lebensmitteln zu verschaffen, um die Ueberfahrt nach den holländischen Besitzungen von Timor wagen zu können, wenn man aus Furcht vor den Eingebornen auch die auf diesem Wege verstreuten zahllosen Inselgruppen meiden mußte.
    Der erste Tag verlief ohne Zwischenfall und mit einbrechender Nacht schon kamen die Küsten Tosoas in Sicht. Leider waren diese zu felsig und der Strand zu steil, um während der Nacht daselbst landen zu können. Man mußte also den Tag abwarten.
    Bligh hielt streng darauf, die Provisionen der Schaluppe nicht ohne die dringendste Nothwendigkeit in Anspruch zu nehmen. Die Insel sollte seinen Leuten und ihm die nöthige Nahrung liefern. Das schien nicht so leicht zu sein, denn als sie an’s Land stiegen, fanden sie zuerst keine Spur von menschlichen Wohnungen. Dennoch erschienen bald einige Eingeborne, welche in Folge des gefundenen wohlwollenden Empfanges auch noch andere herbeiholten, durch deren Vermittelung etwas Trinkwasser und einige Cocosnüsse zu erlangen waren.
    Bligh kam indessen in nicht geringe Verlegenheit. Was sollte er den Eingebornen sagen, die schon bei der letzten Rast mit der »Bounty« verkehrt hatten? Jedenfalls mußte ihnen die Wahrheit verborgen bleiben, um nicht das Ansehen auf’s Spiel zu setzen, das die Fremdlinge auf dieser Insel bisher genossen hatten.
    Sollte er vorgeben, sie kämen nur, um für die auf hoher See zurückgebliebene »Bounty« Proviant zu holen? Das erschien unmöglich, da das Schiff, selbst vom Gipfel der benachbarten Hügel, nicht sichtbar war. Oder das Fahrzeug habe Schiffbruch gelitten und die Eingebornen sähen in ihnen die einzigen Ueberlebenden des Unfalles? Das schien noch am glaublichsten. Vielleicht rührte es jene und veranlaßte sie, die Provisionen der Schaluppe noch weiter zu vervollständigen. Bligh ergriff also die Ausflucht, so gefährlich sie auch schien, und verabredete sich mit seinen Leuten, damit Alle bei einerlei Rede blieben.
    Beim Anhören dieser Erzählung gaben die Eingebornen jedoch weder ein Zeichen der Freude noch des Bedauerns zu erkennen. In ihren Gesichtern prägte sich nur ein unverholenes Erstaunen aus, das ihre Gedanken in keiner Weise errathen ließ.
    Am 2. Mai vergrößerte sich die Anzahl der auch von anderen Inseln herbeigekommenen Eingebornen ganz ungewöhnlich, und Bligh bemerkte bald, daß sie nichts Gutes im Schilde führten. Einige derselben versuchten sogar, das Boot auf das Ufer zu ziehen, und ließen davon nur bei dem ernsthaften Dazwischentreten des Kapitäns wieder ab, der sie mit einem Seitengewehre bedrohte. Inzwischen brachten einige seiner Leute, welche Bligh auf
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