Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzählung

Erzählung

Titel: Erzählung
Autoren: Gabriel Marcel
Vom Netzwerk:
augenblicklich der Vertreter für die gesammte Mannschaft der »Bounty«. Wir hatten England noch nicht verlassen, als wir schon Ursache hatten, uns über Eure beleidigenden Verdächtigungen, Euer rohes Auftreten zu beklagen. Wenn ich sage »wir«, so gilt das von den Officieren ebensogut wie von den Matrosen. Weder haben wir jemals die uns zukommende Genugthuung erlangen können, Ihr habt auch alle unsere Klagen verächtlich abgewiesen. Sind wir denn Hunde, um uns jeden Augenblick auf die gemeinste Weise beschimpfen und mißhandeln zu lassen? Canaillen, Räuber, Lügner, Diebe…. Euch war kein Ausdruck stark genug, keine Beleidigung schwer genug für uns! Wahrlich, man müßte eben kein Mensch sein, um ein solches Leben zu ertragen! Und habt Ihr vielleicht mich, Euren Landsmann, mich, der Eure Familie kennt und schon zwei große Reisen unter Eurem Befehle mitmachte, etwa damit verschont? Habt Ihr mich nicht erst gestern noch beschuldigt, ein paar erbärmliche Früchte gestohlen zu haben? Und nun gar die Leute! Für ein Nichts in Eisen gelegt! Wegen einer Kleinigkeit vierundzwanzig mit dem Tauende! O, es bezahlt sich Alles in der Welt! Ihr seid uns gegenüber gar zu freigebig gewesen; jetzt, Bligh, kommt die Reihe an uns! Eure Beschimpfungen, Ungerechtigkeiten, alle die sinnlosen Beschuldigungen, die moralischen und physischen Qualen, die Ihr seit anderthalb Jahren auf Eure Mannschaft häuftet, jetzt sollt Ihr sie büßen, und zwar hart. Kapitän, Ihr seid von Denen gerichtet, die Ihr maßlos beleidigtet, und Ihr seid verurtheilt worden. – Ist es nicht so, Kameraden?
    – Ja, ja, zum Tode verurtheilt! riefen die meisten Matrosen mit drohenden Geberden gegen den früheren Kapitän.
    – Einige waren der Ansicht, Kapitän Bligh, fuhr Christian fort, Euch zwischen Himmel und Wasser an einem Strick aufzuhissen. Andere schlugen vor, Euch mit der neunschwänzigen Katze zu Tode zu peitschen. Doch nein, denen fehlt es an Phantasie. Da bin ich auf etwas Besseres gekommen. Uebrigens seid Ihr hier nicht der einzige Schuldige. Diejenigen, welche Eure Befehle, und wenn sie noch so grausamer Art waren, stets getreulich ausführten, würden doch nur mit größtem Widerwillen unter mir weiter dienen. Auch diese haben verdient, Euch zu folgen, wohin der Wind Euch treiben mag. – Die Schaluppe klar!«
    Die letzten Worte Christian’s riefen zunächst ein unwilliges Gemurmel hervor, der darauf jedoch wenig zu achten schien. Kapitän Bligh, welchen auch jene Drohungen nicht aus der Fassung zu bringen vermochten, benutzte die augenblickliche Pause, um selbst das Wort zu ergreifen.
    »Officiere und Matrosen, begann er mit fester Stimme, in meiner Eigenschaft als Officier der königlichen Marine und Befehlshaber der »Bounty« protestire ich feierlich gegen die Behandlung, die Ihr mir angedeihen laßt. Habt Ihr begründete Ursache, Euch über die Art und Weise meiner Führung zu beklagen, so laßt mich durch ein regelrechtes Kriegsgericht aburtheilen. Ihr habt offenbar nicht überlegt, welch’ verbrecherische Wege Ihr wandelt. Wenn Ihr die Hand erhebt gegen Euren Kapitän, empört Ihr Euch gegen geheiligte Gesetze, macht Ihr Euch jede Rückkehr in die Heimat unmöglich und setzt Euch der Gefahr aus, als Seeräuber betrachtet zu werden! Früher oder später bedroht Euch ein schimpflicher Tod, der Tod der Verräther und Rebellen! Im Namen Eurer Ehre und des Gehorsams, den Ihr mir geschworen, ermahne ich Euch, zur Pflicht zurückzukehren!
    – Welche Gefahren uns drohen, wissen wir schon allein! antwortete Churchill.
    – Genug der Worte! rief die Mannschaft, bereit nun, zu Thaten überzugehen.
    – Nun denn sagte Bligh, wenn Ihr ein Opfer haben wollt, so laßt es mich sein, mich allein! Die Anderen, welche Ihr in sinnloser Verblendung mit verdammt, haben ja nur meine Befehle ausgeführt, also selbst nichts verbrochen!«
    Ein wüstes Geschrei übertönte die Stimme des Kapitäns, der darauf verzichten mußte, diese unerbittlichen Herzen zu rühren.
    Inzwischen war Alles bereit gemacht worden, die Befehle Christian’s auszuführen.
    Da entstand noch eine lebhafte Unterhandlung zwischen dem zweiten Officier und einigen der meuterischen Matrosen, welche Kapitän Bligh und seine Helfershelfer gänzlich unbewaffnet und ohne die geringste Nahrung ausgesetzt wissen wollten.
    Einzelne – und darunter vorzüglich Churchill – meinten, es sollten noch mehr, als bestimmt war, von dem Schiffe entfernt werden. Man müsse sich aller Leute
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher