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Erzählung

Erzählung

Titel: Erzählung
Autoren: Gabriel Marcel
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Namens John Adams, die jenen tödten mußten, um sich seiner zu erwehren. Im Jahre 1800 starb Young in Folge eines schweren Asthma-Anfalles.
    Jetzt war John Adams allein noch von den Rebellen übrig.
    In seiner Verlassenheit mit mehreren Frauen und zwanzig, aus der Ehe seiner Kameraden mit Tahitierinnen stammenden Kindern, hatte John Adams’ Charakter eine tiefgehende Umänderung erfahren. Er zählte jetzt erst sechsunddreißig Jahre; seit langer Zeit aber hatte er so viele gewaltthätige und blutige Auftritte gesehen und die menschliche Natur in so verderbtem Zustande beobachtet, daß er in sich ging und ein ganz anderer Mensch wurde.
    In der auf der Insel erhaltenen Bibliothek der »Bounty« befanden sich eine Bibel und verschiedene Andachtsbücher. John Adams las diese häufig, bekehrte sich, erzog die junge Generation der Insel, als deren Vater er sich betrachtete, nach den besten Grundsätzen, und wurde – eine natürliche Folge der Verhältnisse – der Gesetzgeber, Oberpriester und sozusagen der König von Pitcairn.
    Bis zum heutigen Tage verließ ihn aber eine gewisse Unruhe nicht. Als sich ein Schiff im Jahre 1795 Pitcairn näherte, verbargen sich die vier Ueberlebenden der »Bounty« in unzugänglichen Wäldern und wagten sich erst nach dem Verschwinden jenes Fahrzeuges wieder an das Tageslicht. Ebenso geschah es 1808 bei der Landung eines amerikanischen Kapitäns an derselben Insel, der einen Chronometer und eine Boussole mit wegnahm, die er der englischen Admiralität zustellte, welche diesen Ueberresten der »Bounty« indeß keine sonderliche Beachtung schenkte. Freilich hatte diese jener Zeit in Europa wichtigere und höchst ernsthafte Aufgaben.
    So lautete der Bericht der beiden Eingebornen, von Vaterseite zwei Engländer, denn der eine war Christian’s, der andere Young’s eigener Sohn, an den Kapitän Staines; als Letzterer aber auch John Adams zu sehen wünschte, weigerte sich dieser, an Bord zu kommen, bevor er nicht wüßte, was mit ihm geschehen werde.
    Nachdem der Commandant den beiden jungen Leuten versichert, daß John Adams, da seit der Meuterei auf der »Bounty« fünfundzwanzig Jahre verflossen, schon durch Verjährung des Verbrechens geschützt sei, ging er selbst an’s Land und sah sein Boot daselbst von einer aus sechsundvierzig Erwachsenen und einer großen Menge Kinder bestehenden Bevölkerung empfangen. Alle erschienen groß und kräftig, von ausgesprochenem englischen Typus; die jungen Mädchen blendeten durch ihre außerordentliche Schönheit, und ihr bescheidenes Auftreten verlieh ihnen noch besonderen Reiz.
    Die auf der Insel geltenden Gesetze waren sehr einfacher Art. Ein Register enthielt das Verzeichniß über die von jedem Einzelnen geleistete Arbeit. Geld kannte man nicht; alle Geschäfte wurden durch Tauschhandel erledigt, doch betrieb man, wegen Mangels der nothwendigen Rohproducte, keinerlei Industrie. Als Kleidung trugen die Einwohner große Hüte und weite Gewänder aus einer Art Bast. Fischfang und Ackerbau bildeten die Hauptbeschäftigungen. Ehen durften nur unter Adams’ Einwilligung und auch nur dann geschlossen werden, wenn der Mann ein hinreichendes Stück Land cultivirt und bepflanzt hatte, das seiner zukünftigen Familie hinreichenden Lebensunterhalt zu gewähren versprach.
    Der Commandant Staines stach, nachdem er alles Wissenswerthe über diese, in verlassener Wasserwüste des Stillen Oceans verlorene Insel gesammelt, wieder in See und ging nach Europa zurück. Seit jener Zeit hat der ehrwürdige John Adams seinen wechselvollen Lebenslauf nun auch beschlossen. Er starb im Jahre 1829 und erhielt einen Ersatzmann in Reverend George Nobbs, der auf der Insel das Amt des Pfarrers, Arztes und Schullehrers bekleidete.
    Im Jahre 1853 beliefen sich die Nachkommen der »Bounty« auf einhundertsiebzig Individuen. Fortwährend nahm die Bevölkerung zu und wurde endlich so groß, daß drei Jahre später ein Theil derselben nach der Insel Norfolk übersiedelte. Viele der Auswanderer sehnten sich aber doch nach Pitcairn zurück, obwohl Norfolk viermal größer, an Bodenerzeugnissen weit reicher war und auch leichtere Existenzbedingungen darbot. Nach zweijährigem Aufenthalte kehrten wirklich mehrere Familien nach Pitcairn zurück, wo sie noch heute in bestem Gedeihen leben.
    So gestaltete sich also der Ausgang eines Abenteuers, das einst so tragisch anfing. Zuerst der Zufluchtsort von Rebellen, Mördern und Verblendeten, wurde die Insel Pitcairn unter dem Einflusse der
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