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Erst ich ein Stück, dann du - Ein Drachenfreund für Linus (German Edition)

Erst ich ein Stück, dann du - Ein Drachenfreund für Linus (German Edition)

Titel: Erst ich ein Stück, dann du - Ein Drachenfreund für Linus (German Edition)
Autoren: Patricia Schröder
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schenkte Milch aus dem
    großen Krug in die Becher.
    „Angeln“, sagte Linus.
    „Aber Papa hat heute doch gar keine Zeit“, erwiderte Mama. „Er muss zum Fluss hinunter. Das weißt du doch genau.“
    Klar wusste Linus das. In jedem Frühjahr, wenn die ersten warmen Tage anbrachen, gingen sein Vater und die anderen Männer des Dorfes zum Fluss. Denn sobald der Schnee von den Gipfeln der umliegenden Berge zu schmelzen drohte,
trat der Fluss über das Ufer. Manchmal führte er so viel Wasser heran, dass es bis in die Häuser strömte und die Dorfbewohner kaum noch Zeit hatten, ihre Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen. Deshalb karrten die Männer nun in jedem Frühjahr Sandsäcke zum Fluss und verteilten sie am Ufer. Manchmal konnten sie so verhindern, dass das Wasser ihre Häuser überschwemmte.
     
    „Dann helf ich eben“, sagte Linus.
    Er ließ die Angel sinken.
    „Ich kann auch morgen noch fischen.“
    Doch Mama schüttelte den Kopf.
    „Nein“, sagte sie.
    „Die Sandsäcke sind viel zu schwer für dich.“
    „Pah!“, schnaubte Linus. „Sind sie nicht.“
    Immerhin war er acht Jahre alt.
    Er war viel stärker, als Mama dachte.
     
    Aber Mama blieb bei ihrem Nein. „Und geangelt wird heute auch nicht“, sagte sie.
    „Und wieso nicht?“, fragte Linus.
    „Weil es zu gefährlich ist.“
    „Pah!“, schnaubte Linus. Er ließ sich auf seinen Hocker sinken und guckte sehr wütend.

    Linus aß nur ein Brot und die Milch trank er auch nicht ganz aus.
    „Bist du schon satt?“, fragte Mama und strich ihm durch die Haare.
    Linus antwortete nicht, sondern starrte mit muffeligem Gesicht auf den Honigtopf, der gleich vor ihm auf dem Tisch stand.
    „Lass ihn doch“, meinte Papa. Er wischte sich die Krümel aus den Mundwinkeln und leerte seinen Becher. „Auch Kinder haben manchmal keinen Appetit.“
    „Ich glaube, er ist ein eingeschnappt“, sagte Mama. „Weil ich ihm das Angeln verboten habe.“
    „Hm“, machte Papa.
    Hoffnungsvoll blickte Linus zu ihm hin. Vielleicht bekam er ja von Papa die Erlaubnis. Sozusagen von Mann zu Mann. Aber leider hoffte er vergeblich.
    „Deine Mutter hat ganz recht“, sagte Papa. „So kurz vor der Schneeschmelze ist das Angeln viel zu gefährlich. Manchmal kommt so viel Wasser von den Bergen herunter, dass der See innerhalb kürzester Zeit über die Ufer tritt. Nein, nein …“ Er schüttelte energisch den Kopf. „Ich möchte auf keinen Fall, dass du zum See gehst. In den nächsten Tagen wirst du dich im Dorf aufhalten und mit den anderen spielen.“
    Mit den anderen? – Pah!
    Linus ballte vor Wut die Fäuste unter dem Tisch.
    Schließlich wusste Papa ganz genau, dass die zu alt für ihn waren. Die wollten gar nichts mit ihm zu tun haben. Allen
voran Hannos, der am Ende des Dorfes wohnte! Der hielt sich für besonders groß und stark. Er hatte sogar schon mal mit einem echten Wolf gekämpft. Manche behaupteten zwar, dass es ein krankes und schwaches Tier gewesen sei, aber davon wollte Hannos nichts wissen. Er war der Anführer der Dorfkinder, und er allein bestimmte, was sie unternahmen und wer dabei sein durfte.
    Linus hatte noch nie bei irgendetwas mitmachen dürfen.
    „Du bist doch viel zu klein“, höhnte Hannos immer. „Du würdest sogar vor der kleinsten Maus davonlaufen.“
     
    Ihr könnt mir gar nichts verbieten,
    dachte Linus.
    Er wartete, bis Mama Papa zur Tür brachte.
    Das war die Gelegenheit!
    Lautlos schnappte Linus sich die Angel.
    Auf Zehenspitzen huschte er in die Küche
    und öffnete leise das Fenster.
    Linus kletterte auf das Sims.
    Er ließ die Angel ins Beet fallen
    und sprang hastig hinterher.
    Das Fenster drückte er wieder zu.
    Mama würde bestimmt nichts merken.
     
    Flink wie ein Wiesel durchquerte Linus den Garten. Im Schatten der großen Eiche warf er die Angel über die Mauer. Sie war ein ganzes Stück höher als er selbst. Und bisher hatte er es noch nie geschafft, sie zu überwinden.
    Aber heute war er wütend. Heute wollte er Mama und Papa beweisen, dass er ein richtiger Kerl war.
    Und wenn man so richtig wütend war, dann hatte man auch richtig Kraft.
    Fieberhaft ließ Linus seine Finger über die rauen Mauersteine gleiten. Endlich fand er einen Vorsprung, der seinen Füßen Halt geben konnte.
    Linus stellte den rechten Fuß hinein, krallte seine Finger an der Mauerkante fest und zog sich ächzend hinauf. Dann hob er das linke Bein schwungvoll an und kurz darauf thronte er hoch oben auf der Mauer. – Wenn Hannos ihn so sehen
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