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Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Heidi Hohner
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darf ich wissen. Aber − wer bist du?«
    Ich nahm mir von Felix einen der Zettel mit den hübschen Tannenzweigen und Kerzen zwischen den Notenzeilen und unterbrach die »Wer bist du – Ich bin die Heidi«-Schleife, die stundenlang so weitergehen konnte. Stattdessen fing ich einfach an zu singen: »Süßer die Glocken nie klingen …«
    Ich schob im Stehen die Schulterblätter zusammen, um besser atmen zu können. Felix stimmte ohne Zögern ein, laut, schief, und lächelte mir zu, als sich unsere Augen trafen: »… als zu der Weih-hei-nachts-zeit.«
    Ich sang gegen Tränen der Rührung an, die aus meinem Bauch nach oben stiegen. Laut singen machte mich immer sentimental, irgendetwas in meinem Solarplexus rührte sich dann ganz gewaltig, und außerdem war mir gerade wieder eingefallen, wie wahnsinnig gern ich diesen Kerl in dem hellgrauen Kapuzensweatshirt mochte, der seiner alzheimerkranken Großmutter zur Beruhigung Weihnachtslieder sang, und das im Februar.
    Diese weiche Stimmung umfing mich weiter, bis zum Mittagessen.
    »Kommst du, du musst ässän!«
    Nur Olga, die resolute Russin, die sich rund um die Uhr um Oma Schweiger kümmerte, konnte die alte Dame normalerweise dazu bewegen, einen kleinen Löffel Kartoffelbrei zu sich zu nehmen. Aber heute hatte auch sie kein Glück.
    Oma Schweiger kauerte auf ihrem Bett, inzwischen in einem alten hellblauen Frotteepyjama steckend, der aussah, als hätte er einmal Felix gehört, als er noch nicht so ein Riesenmannsbild war, und drehte den Kopf weg.
    »Mir ist – übel!«
    »Was hast du?«, fragte ich Felix von der Seite, der nachdenklich auf einem Biedermeierstühlchen saß und mit seiner Schuhspitze die Ranken des Perserteppichs nachzog, »machst du dir Sorgen, weil sie keinen Appetit hat? Sollen wir ihr ein Stück Kuchen aus dem Café Jasmin holen, darauf hat sie doch immer Lust! Ich übrigens auch!«
    »Nein. Ist nicht wegen Oma.«
    Felix klappte die Zeitung auf, die unordentlich zusammengefaltet auf dem mit einer vergilbten Spitzendecke behangenen Tischchen lag, neben der Medikamentenbox und der Schale mit den runzeligen Äpfeln.
    »Hauptstadt Special!« stand auf der Hochglanzbeilage, die er mir hinhielt. »Schau.«
    Ich nahm ihm die Gastroseite dieser Berlinbeilage aus der Hand und hatte schnell gefunden, was er meinte:
    Vielversprechend und hochwertig hatte sich die Alpenküche des Nachwuchsgastronomen Felix Schweiger in den ersten Jahren präsentiert, hat uns doch der Crossover von italienisch-österreichischer Hausmannskost und zeitgemäßer Leichtigkeit mehr als überzeugt. Das Biolabel und die fairen Preise waren ein angenehmer Nebeneffekt.
    Fragend hob ich den Kopf und sah Felix an, doch der hob nur das Kinn – lies weiter, bedeutete er mir.
    Doch leider sind wir gezwungen, die Alpenküche in den Gips-Höfen aus unserer Topliste zu streichen. Bei einer privaten Mahlzeit bekamen wir unser Lieblingsessen, einen Gamsburger, wie immer zuvorkommend serviert. Doch die Qualität des Fleisches – angeblich fünfzig Prozent Gams, fünfzig Prozent Biohochlandrind – drohte uns die hungrigen Mägen umzudrehen: Die zweifelhafte Bulette sonderte enorm viel Fett ab und hatte eindeutig Farbe und Geschmack von nicht mehr ganz frischem Schweinehack.
    Nicht mehr ganz frisches Schweinehack – in der Alpenküche, die so viel auf Bioqualität und Frische gab? Dieser Verriss war allerdings ein starkes Stück! Aber wer sagte, dass das nicht einfach die Einbildung eines zickigen Schreiberlings gewesen war?
    »Hast du davon gewusst? Hat Mizzi nichts bemerkt?«, fragte ich.
    »Keiner der Angestellten isst den Gamsburger«, verneinte Felix, »der ist zu exklusiv für ein Personalessen. Und Mizzi ist Veganerin, die hat da sicher keine Qualitätskontrolle gemacht.«
    »Haben sich die Reporter nicht beschwert?«
    »Nein. Und auch kein Gast bisher, offensichtlich geht das noch nicht lange. Aber dafür war heute Morgen schon die Gewerbeaufsicht da.«
    »Und?«
    Felix hielt seinen Laden tiptop in Ordnung, da war ich mir sicher. Wer privat nicht in der Lage war, sein Geschirr in die Spülmaschine zu räumen, konnte trotzdem in seinem Lokal alle Vorschriften einhalten, schließlich lebte er davon. Dachte ich. Aber Felix fuhr fort, und ich sah ihm an, wie schockiert er selbst darüber war, dass dieser Skandal hinter seinem Rücken hatte passieren können: »Wir hatten noch nie etwas mit Schweinehack auf der Speisekarte, in fünf Jahren nicht! Aber die Kritik war keine Einbildung −
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