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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
Autoren: Barbara Erskine
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können, hatte gehofft, daß er sich darüber klar werden würde, wie recht sie mit allem gehabt hatte. »Du… ausgerechnet du sagst das, wo du doch immer nur von deiner Arbeit redest, von deinen Freunden, deinen Parties, deinen Fernsehinterviews! Du hast doch zugegeben, daß ich nur als Anhängsel mit in die Staaten kommen soll! Der Jon-Bevan-Literaturzirkus. Der wunderbare, kluge, hinreißende Romancier und Dichter Jon Bevan und seine süße Freundin, die diese schillernden Biographien schreibt œ aber nehmt sie um Himmels willen nicht so ernst wie das Õuvre des Jon Bevan.« Ihre Hände hatten zu zittern angefangen, als sie die Bedeutung des von ihr Gesagten begriff. Sie verurteilte ihre Beziehung damit unwiderruflich zum Tode. Nichts konnte mehr zurückgenommen werden, nichts die dem anderen ins Gesicht geschleuderten Beleidigungen ungesagt machen. »Du hast recht, Jon. Diese Beziehung kann nicht funktionieren. Es ist aus. Aus!« Sie schob sich an ihm vorbei und stürzte aus dem Zimmer.
    Ihr Schlafzimmer war nur klein. Das Doppelbett, an die Wand geschoben, ließ gerade genug Platz für einen Schreibtisch œ ihren Schreibtisch. Darauf stand ihr Laptop, inmitten von Bergen aus Büchern, Fotokopien und Schriften. Jons Schreibtisch war im Wohnzimmer, das sie gerade verlassen hatte. Jons Wohnzimmer. Jons Wohnung. Sie blickte verzweifelt um sich. Dann griff sie nach ihrem Mantel. Sie warf ihn sich über, drehte sich um und lief zur Eingangstür.
    »Kate. Sei nicht kindisch. Laß uns noch einmal über alles reden.« Jon folgte ihr. Plötzlich hatte er fürchterliche Angst. »Um Himmels willen, wo willst du hin?«
    »Raus hier. Weg.« Sie fummelte am Türschloß herum.
    »Du kannst doch jetzt nicht mehr weggehen. Es ist fast Mitternacht, und es schneit.« Sein Zorn war verflogen. Er sah sich plötzlich so, wie sie ihn sehen mußte: egoistisch, arrogant, rücksichtslos, grausam. »Kate, bitte -« Er streckte die Hand nach ihr aus.
    Sie antwortete nicht. Sie schlug die Tür hinter sich zu und lief die Treppe hinunter, hinaus auf die Straße.

II
    Er fehlte ihr.
    Die Wohnung war geputzt und bereits leergeräumt, obwohl sie noch darin lebte. Die Tage vergingen nur langsam. Sie mußte schnell irgendeine Wohnung finden, eine, die sie sich leisten konnte, in der sie leben, in der sie ihre verletzte Selbstachtung wiedergewinnen, in der sie schreiben konnte.
    Sie versuchte, das Geschehene zu rechtfertigen; sich darüber klar zu werden. Ja, er hatte recht. Es hatte nicht funktioniert. Es hatte zu viele Konflikte zwischen ihnen gegeben, zu viel Konkurrenz. Und sie war es gewesen, die alle Opfer gebracht hatte: ihre Zeit, ihre Konzentration, ihr Geld und ihre Hingabe.
    Aber das war jetzt vorbei. All ihre Zeit, ihre Konzentration, ihre Hingabe konnte sie jetzt auf eine Sache richten: auf einen Mann. Byron. Stehend strich sie Honig auf eine Scheibe Brot, sah, wie die Vollkornstücke auseinanderbröselten, und versuchte, die Stücke wieder zusammenzufügen. Sie konnte nicht in London bleiben. Ihr Geld œ das Geld, das sie ihm geliehen hatte œ war ihr einziges Kapital gewesen. Sie hatte, den Taschenrechner in der Hand, einen Morgen damit zugebracht, ihre Bankauszüge und ihren Bausparvertrag durchzugehen, um herauszufinden, wie lange sich die letzten paar hundert Pfund strecken ließen. Gott sei Dank war sie klug genug gewesen, einen Teil davon in Staatsanleihen anzulegen, und die hatte sie nicht einmal für Jon angerührt. Ohne dieses Geld wäre sie jetzt wirklich in Schwierigkeiten gewesen.
    Das war alles ihre Schuld. Sie war nun einmal ein Dummkopf, der klassische, vernarrte Hanswurst. Die Schuld lag ganz allein bei ihr. Natürlich auch bei Jon. Sie beschimpfte ihn in Gedanken. Das half etwas, doch immer wieder kehrte sie zu dem leeren Platz in ihrem Leben zurück, zu der Tatsache, daß er ihr fehlte.
    Aber das Leben mußte weitergehen, und so fand sie sich zwei Tage später im Rundfunkgebäude wieder, wo ihr alter Freund, Bill Norcross, eine der Produktionsabteilungen leitete.
    »Dann ist also wahr? Mit dir und Jon ist es aus und vorbei. Die schöne Kate Kennedy ist aus dem Käfig ausgebrochen und hat die Hand gebissen, die sie gefüttert hat.«
    Bill lehnte sich in seinem Sessel zurück und deutete für Kate auf einen zweiten, der im spitzen Winkel zu seinem Schreibtisch stand.
    Kate verzichtete auf eine scharfe Erwiderung und setzte sich. Sie sah seine Augen wie automatisch vom Ende ihrer schwarzen Lederstiefel zu ihrem
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