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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
Autoren: Barbara Erskine
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leid, aber ich bleibe hier und arbeite.«
    Jon schüttelte den Kopf. Seine Stimme wurde plötzlich rauh. »Du kannst aber nicht in der Wohnung bleiben, Kate.«
    »Was meinst du damit? Natürlich kann ich.« Nicht einmal jetzt hörte sie die Alarmglocke, die in ihrem Hinterkopf bereits seit längerem läutete.
    Er verschränkte die Arme. Der vertraute störrische Ausdruck, der sich über sein Gesicht auszubreiten begann, gemildert durch eine Spur von Sorge. »Derek hat mich gebeten, die Wohnung Cyrus Grandini abzutreten, während ich weg bin.«
    Kate war einen Augenblick lang sprachlos. »Und wer, wenn ich fragen darf, ist Cyrus Grandini?« zischte sie endlich.
    »Ach, Kate.« Er war ungeduldig. »Der Dichter. Mein Gott, du mußt doch von ihm gehört haben!«
    »Nein. Und ich will die Wohnung auch nicht mit ihm teilen.«
    Seine Antwort klang entschuldigend. »Davon ist auch nicht die Rede. Tut mir leid, Kate, aber ich habe es ihm versprochen, daß er die Wohnung zwei Wochen lang haben kann.«
    »Und was ist mit mir? Ich habe gedacht, ich sei dort auch zu Hause.« Sie kämpfte gegen die plötzliche Panik in ihrer Stimme.
    »Natürlich bist du dort zu Hause.« Seine Stimme klang eher wütend als beruhigend. »Das weißt du doch. Aber Derek hat damit gerechnet, daß du mit nach New York kommst; und ich auch. Ich habe geglaubt, du würdest dir so eine Gelegenheit nicht entgehen lassen!«
    »Anscheinend doch.«
    »Dann mußt du die zwei Wochen woanders unterkommen. Das läßt sich nicht ändern. Tut mir leid.«
    Das war es also. Sie wußte jetzt, was sie für ihn war. Eine Mieterin. Eine Geliebte. Aber keine Partnerin.
    Sie stand auf und stieß ihren Stuhl mit solcher Wucht nach hinten, daß der Japaner neben ihr fast seinen Kuchen fallen ließ. Er sprang ebenfalls auf, damit sie sich an ihm vorbeidrücken konnte. Eine Welle aus Frustration, Wut und Traurigkeit überrollte sie. »Wenn ich gehe, dann für immer«, erklärte sie kategorisch, während sich ihr Nachbar wieder auf seinen Stuhl sinken ließ und verzweifelt nach seinem Kuchen griff.
    »Okay. Wenn du das so willst.« Er hatte sich von ihr abgewendet und starrte die Reiter aus dem Parthenon auf dem Fries an der Wand über ihm an, plötzlich voller Scham den Tränen nahe. Die Dame aus Japan, die ihrerseits gerade aufstehen wollte, damit auch er den Tisch verlassen konnte, interpretierte seine felsengleiche Haltung richtig, entspannte sich und nahm einen großen Bissen von ihrem Sandwich.
    Es war nach elf, als er an diesem Abend in die Wohnung kam.
    Die Eingangstür führte direkt in das kleine Wohnzimmer, wo sie im warmen Licht der Tischlampe saß und in einem Buch las. Sie konnte hören, wie draußen der Schneeregen an das Fenster prasselte. Die Schultern von Jons schwerer Jacke glitzerten von noch nicht geschmolzenen Flocken. »Und, hast du deine Meinung geändert?« fragte er.
    Einen Augenblick lang war sie verwirrt, noch in die Welt von Lord Byron und seinen Freunden vertieft. Widerwillig schleppte sie sich zurück in die Gegenwart. »Nein. Ich habe meine Meinung nicht geändert.«
    »Es funktioniert nicht, was?« Er stand vor der elektrischen Heizung und begann langsam, seinen langen Schal abzuwickeln.
    »Was funktioniert nicht?« Sie richtete ihre Augen auch weiterhin auf das Buch vor ihr. Ihr Magen hatte sich beim Klang seiner Stimme unangenehm zusammengezogen, und die Buchstaben verschwammen zu einem ununterscheidbaren schwarzen Dunst.
    »Wir.«
    Endlich sah sie auf. »Weil ich nicht mit dir in die Staaten fahre?«
    »Nicht nur das. Kate, seien wir ehrlich. Du bist so von deinem verdammten Dichter besessen, daß du keine Zeit mehr für mich hast. Schau dich doch an. Nicht mal jetzt kannst du dich von diesen blöden Texten losreißen.« Er stürzte sich auf sie und riß ihr das Buch aus der Hand. »Bitte.« Er hielt es triumphierend hoch. » Viktorianische Dichter!« Er schleuderte es auf einen Sessel. »Er -« Kate nahm an, daß »er« Byron war »- tritt dauernd zwischen uns. Du hast keine Zeit mehr für uns, Kate; für unsere Beziehung.«
    »Jon -«
    Seine ungerechte Bemerkung schmerzte sie, aber er war in Rage geraten. »Nein, laß mich ausreden. Das ist eine richtige Manie von dir. Für mich hast du überhaupt keine Zeit mehr.«
    Sie sprang auf. Sie hatte einen großen Teil des Nachmittags gebraucht, um sich nach ihrem Wortwechsel im Britischen Museum wieder zu beruhigen. Dennoch hatte sie geglaubt, ihre Probleme in aller Ruhe mit ihm besprechen zu
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