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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
Autoren: Barbara Erskine
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Klimaanlage, das seltsame, falsche Licht mit dem gedämpften Summen verursachten ihr Kopfschmerzen. Sie hatte sich zu stark konzentriert, und der unerwartete Schlag auf die Schulter hatte sie so erschreckt, daß sie einen leisen Schrei ausstieß. Bevor sie sich umdrehte, um zu sehen, wer es war, erinnerte sie sich daran, daß Jon ihr gesagt hatte, er werde kurz auf einen Kaffee vorbeikommen.
    Das Restaurant war wie gewöhnlich überfüllt, und als sie sich an einen Tisch bei der Wand setzten, hatte sie noch keine Ahnung, daß der Kriegsausbruch unmittelbar bevorstand. Zwei japanische Touristen, behängt mit Kameras, zwängten sich unter Verbeugungen und entschuldigendem Lächeln auf die beiden freien Stühle neben ihnen. Kaffee schwappte auf Jons Untertasse. Er konnte seine langen Beine nur mit Mühe unter dem Tisch verstauen, als er sich Kate gegenüber in die Ecke zwängte und das Tablett in der einen Hand balancierte, während er in der anderen einen Brief hielt. Seine lange, schlaksige Gestalt und sein wehendes Haar verliehen ihm einen Anflug von lässiger Eleganz. Dieser Eindruck wurde allerdings durch einen Blick in seine Augen, die unruhig hm und her wanderten, Lügen gestraft.
    Sie war noch in Gedanken bei Byron, und so hatte sie seine Erregung nicht sofort bemerkt. »Du kommst mit, Kate!« Er nahm den Brief, den er zwischen sie auf den Tisch gelegt hatte, und fuchtelte ihr damit vor der Nase herum. In seinen Augen lag ein triumphierendes Strahlen.
    »Mit dir mitkommen? In die Staaten?« Kate, die ihm endlich ihre volle Aufmerksamkeit schenkte, sah ihn überrascht an. »Ich kann nicht, Jon.«
    Der Ausdruck verblüfften Zorns, der sich einen Augenblick lang auf seinem Gesicht zeigte, bestätigte ihren Verdacht, daß er sie nicht verstehen würde.
    »Warum nicht?« fragte er verletzt und überrascht. Er hatte geglaubt, sie würde sich von seiner Begeisterung anstecken lassen. Sein Gesicht verfinsterte sich. Woher kam es, daß sie nie so reagierte, wie er es erwartete? »Das ist die wichtigste Reise meines Lebens, Kate. Mein neuer Roman kommt in den Staaten heraus. Eine Vortragsreise. Publicity. Vielleicht sogar endlich Geld. Wünscht du mir das denn nicht?«
    »Du weißt, daß ich das tue.« Ihre Stimme klang nicht mehr abwehrend. Sie sah ihn zärtlich an. »Ich freue mich schrecklich für dich. Das ist wunderbar. Das Problem ist nur, daß ich auch ein Buch schreibe. Und ich kann jetzt nicht einfach herumfahren. Meine Recherchen sind beendet, meine Aufzeichnungen fertig. Ich bin kurz davor, mit dem Schreiben anzufangen. Du weißt, daß ich nicht mitkommen kann.«
    »Um Himmels willen, Kate, du kannst doch jederzeit mit dem Buch anfangen.« Jon warf den Brief auf den Tisch. Er hatte auf sie gezählt; er konnte sich einfach nicht vorstellen, ohne sie zu sein. »Ich bitte dich ja nicht, es aufzugeben. Ich bitte dich nicht um eine Unmenge an Zeit. Nur ein paar Wochen.«
    Kate sah die Japanerin an, die ihr gegenüber saß. Die Augen taktvoll gesenkt, packte die Frau ein riesiges, mehrlagiges Sandwich aus, von dem Schinken- und Käsestreifen sowie knallig bunte Salatbänder wie Girlanden nach unten hingen. Die Luft füllte sich mit dem Aroma gekochten Fleisches.
    »Du weißt so gut wie ich, daß ein paar Wochen verteufelt lang sind, wenn man schreiben will«, gab sie verärgert zurück. Ihre Kopfschmerzen hatten sich verschlimmert, sie fühlte sich müde und deprimiert, und gelegentlich konnte sie genauso dickköpfig sein wie er. »Sei kein Idiot, Jon. Außerdem kommst du ohne mich doch sowieso besser zurecht.« Irgendwie hatte er es schon wieder geschafft, daß sie sich schuldig fühlte.
    »Aber ich brauche dich. Derek hat da ein paar phantastische Dinge für mich auf die Beine gestellt.« Jon tippte mit dem Zeigefinger auf den Brief. »Fernsehen in New York. Ein paar wunderbare Parties. Interviews mit dem New York Magazine und Publisbers Weekly. Du würdest sie alle kennenlernen. Er erwartet, daß du mitkommst, Kate. Wir gehören jetzt zur Literaturszene -«
    Eine Welle der Ungeduld überkam sie. »Es ist mir egal, ob dein Verleger mich erwartet, Jon. Es ist mir egal, ob der Präsident der Vereinigten Staaten mich erwartet. Du gehörst vielleicht zu dieser Szene, ich nicht. Ich bin auch kein schickes kleines Extra, das dein glitzerndes Image vervollkommnet. Wenn ich durch New York toure, dann, um Reklame für den Herrn der Finsternis zu machen, nicht aber, um als grinsendes Anhängsel neben dir zu stehen. Tut mir
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