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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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Fach voller Kekse. Hubert schließt es wieder. Kauend erzählt er weiter: »Sie tut so, als wenn ich bekloppt wäre! Bei der Vogelgrippe, ich stand im Garten, plauderte mit meinem Nachbarn. Meine Frau schreit ›Aaaaaaachtung!‹ und wirft sich auf meinen Rücken. Arme um den Hals, Beine um die Oberschenkel. Sie reißt mich runter und stülpt sich über mich wie ein Bodyguard. Eine Taube hatte den Luftraum gekreuzt. Sie hat nicht mal geschissen! Unsere Nachbarn sind kurz darauf nach Potsdam gezogen.«
    »Das tut mir alles sehr leid«, sage ich, klopfe ihm auf die Schulter und öffne wieder die Tür. Der kann mich nicht weit bringen.
    »Grüßen Sie die Einsamkeit von mir«, sagt er.
    »Mache ich.«
    Das Taxi fährt. Ich laufe die Straße hinab und halte den Daumen raus.
    Da! Ein alter Taunus mit jungen Leuten drin. Der wird halten. In der Tat. Sie fahren an den Rand. Zwei junge Männer. Der Beifahrer kurbelt das Fenster herunter. Ich will gerade etwas sagen, da drückt er mir zwei leere Becher von McDonald’s und ein paar zerknüllte, mit Mayonnaise verschmierte Hamburger-Papiere in die Hand. Ich bin zu baff, um zu reagieren. »Danke für den Service«, sagt er. Der Fahrer lacht sich kaputt. Sie geben Gas. Ich brülle ihnen Unsagbares hinterher und werfe den Müll auf den Boden. Für eine Millisekunde schießt mir Wasser in die Augen, denn ich fühle mich so hilflos wie auf dem Pausenhof in der Grundschule. Ein VW-Bus nähert sich mit offenen Fenstern. Laut ertönt Grollen und Schreien. Sirrende Gitarren, ein Schlagzeugbreak, dann melodischer Refrain-Gesang, im Studio dreilagig geschichtet wie ein Kingsize-Burger. Schmerzsimulationsmusik. Ich drehe mich schnell um und halte den Daumen raus. Ich habe feuchte Augen, trage einen großen Rucksack und glaube immer noch, dass Mad Max nicht »den Großen« gehört. Der Bus hält sofort an. Die Schiebetür geht auf. Zwei junge Männer sitzen darin. Sie sind hager, tragen dunkle Jeans, Armbänder von Festivals und aus schwarzem Gummi sowie T-Shirts von Converge und Mastodon. Auf dem Rücken des Fahrers prangt der Schriftzug von Escapado. Ich sehe die Jungs wortlos an und strecke die Hand aus. Die Anlage brüllt. Ein Schwein wird abgestochen und kreischt. Gewitter zerlegen das Land mit Blitzen. Die Arme mit den Bändchen reichen mir die Hand und ziehen mich in ihre Höhle.
    Der Fahrer fragt mich: »Wo willst du hin?«
    Ich sage: »Einsamkeit.«
    »Wir fahren nach Görlitz«, sagt er.
    »Dann eben Görlitz«, sage ich.
    In Görlitz halten wir gegenüber der Altstadtbrücke, die über die Lausitzer Neiße nach Polen führt. Die Landesgrenze liegt mitten auf der Überquerung, die nur für Fußgänger gedacht ist. Keine Grenzposten, kein Zoll. Jeder kann kommen und gehen. Der Fahrer parkt vor einer hohen Mauer. Direkt über uns thront der Dom. »Danke«, sage ich und meine damit auch, dass sie mir während der Fahrt kein Gespräch aufgezwungen haben. Neben dem Parkplatz liegt ein kleiner Jugendclub direkt an der Mauer. Er heißt »Basta!«. Ein Festival ist angeschlagen. Das Plakat wurde in einem Sonderformat gedruckt, denn die Namen der Gruppen sind lang. Görlitz liegt eigentlich zu südlich für meine Route. Um zur Einsamkeit zu gelangen, hätte ich mich östlich aus Berlin rausfahren lassen und die Oder bei Küstrin überqueren müssen. Immerhin bin ich jetzt an der polnischen Grenze, wenn auch zweihundert Kilometer tiefer. Im Club macht die erste Band einen Soundcheck. Jemand brüllt. Einer haut auf die Snare. Es quietscht. »Passt schon!«, ertönt es aus dem Mikro. Vielleicht kann ich heute Nacht hier unterkommen. Der Junge im Mastodon-Shirt öffnet die Schiebetür. Bevor ich aussteige, legt er seine Hand auf meine Schulter.
    »Wie heißt du eigentlich?«
    Ich schlucke. Es fällt mir schwer, meinen vollen Namen auszusprechen. Die Mastodon-Augen flehen. Er will es wirklich wissen. Jetzt.
    »Hartmann«, antworte ich. »Mein Name ist Hartmut Hartmann.«
    > Hartmut 

Der Kölsche Klüngel
    15. 03. 2011
    50° 58′ 52.97″ N, 6° 56′ 53.14″ E
    Der Tropfen gleitet langsam über die Wange zu meinem Ohr.
    Ein Tropfen am Morgen. Mehr genehmige ich mir nicht.
    Krümmen, loslassen, krümmen, loslassen. Meine Finger sind noch da. Wenn meine Finger noch da sind, sind auch meine Arme da. Wenn die Arme da sind, ist auch der Rest meines Körpers da. Ich lebe also.
    Der Tropfen hat mein Gesicht verlassen. Die Spur trocknet langsam.
    Ich stehe jetzt auf. Es hat ja sowieso keinen
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