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Erdbeermond: Roman (German Edition)

Erdbeermond: Roman (German Edition)

Titel: Erdbeermond: Roman (German Edition)
Autoren: Marian Keyes
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hatte sie mir erzählt, dass sie zu Beginn der Frühjahrs- und Herbstsaison zu Marks & Spencer gehe und sich sechs gleiche Röcke, zwei Paar Schuhe – eins mit flachen, eins mit hohen Absätzen – und eine Reihe von Oberteilen kaufe.
    »In einer Dreiviertelstunde bin ich wieder draußen«, sagte sie und strahlte. Offenbar hatte sie vergessen, worum es eigentlich ging. Abgesehen von ihrem Haar, das schulterlang und von einem schönen Kastanienbraun war (künstlich, also hatte sie doch noch nicht alles aufgegeben), sah sie noch mehr nach Mama aus als Mum.
    »Sieh dir doch ihren langweiligen alten Rock an«, murmelte Mum. »Die Leute denken noch, wir seien Schwestern.«
    »Das habe ich gehört«, rief Maggie, »und es ist mir egal.«
    »Dein Auto sieht aus wie ein Rhinozeros«, parierte Mum.
    »Eben war es noch ein Elefant. Dad, kannst du bitte mal den Buggy aufklappen?«
    Dann entdeckte JJ mich und geriet vor Freude ganz aus dem Häuschen. Vielleicht der Reiz des Neuen, aber ich war zurzeit seine Lieblingstante. Er entwand sich Maggies Armen und sauste schnell wie eine Kanonenkugel die Auffahrt hoch. Er warf sich immer gegen mich, und obwohl er vor drei Tagen versehentlich mit seinem Kopf an mein kaputtes Knie gestoßen war, das gerade aus dem Gips gekommen war, und ich mich vor Schmerz übergeben musste, hatte ich ihm verziehen.
    Ich hätte ihm alles verziehen, er war ein absoluter Schatz. Wenn er da war, hob das eindeutig meine Stimmung, aber ich versuchte, das nicht zu sehr zu zeigen, weil die anderen sich dann Sorgen gemacht hätten, dass er mir zu lieb wurde, und sie hatten schon genug Sorgen mit mir. Vielleicht hätten sie auch mit den wohlmeinenden Reden angefangen – ich sei ja noch jung, ich könnte noch ein Kind bekommen und so weiter und so weiter –, und ich war mir ziemlich sicher, dass ich mir das nicht anhören wollte.
    Ich ging mit JJ ins Haus, um seinen »Spazierhut« zu holen. Als Mum einen breitkrempigen, die Sonne abwehrenden Hut für mich gesucht hatte, war sie auf eine ganze Sammlung schrecklicher Hüte gestoßen, die sie im Lauf der Jahre bei Hochzeiten getragen hatte. Es war fast so schlimm, als hätte sie ein Massengrab aufgemacht. Es waren massenhaft Hüte, einer grotesker als der andere, und JJ hatte sich aus irgendeinem Grund in einen flachen, lackierten Strohhut mit einer Hand voll Kirschen, die von der Krempe baumelten, verliebt. JJ behauptete, es sei ein Cowboy-Hut, aber nichts war weiter von der Wahrheit entfernt. Schon jetzt, im zarten Alter von drei Jahren, zeigte er erfreuliche Ansätze von Exzentrizität – wo sich mit Sicherheit ein rezessives Gen durchsetzte, denn das hatte er nicht von seinen Eltern.
    Als wir alle so weit waren, bewegte sich die Kavalkade vorwärts: Ich stützte mich mit meinem heilen Arm auf Dad, Maggie schob Holly im Wagen, und JJ, der Marschall, führte uns an.
    Mum machte bei unserem täglichen Ausgang nicht mit und sagte zur Begründung, wir wären dann zu viele und »die Leute würden gucken«. Und tatsächlich verursachten wir einiges Aufsehen: JJ mit seinem Hut und ich mit meinen Verletzungen zogen die Blicke auf uns, und die Jugendlichen aus der Gegend dachten, ein Zirkus sei in der Stadt. Als wir uns der Anlage näherten – es war gar nicht weit, aber mein Knie tat mir so weh, dass sogar JJ mit seinen drei Jahren schneller war als ich –, bemerkte uns einer der Jungs und pfiff vier oder fünf seiner Kumpel herbei. Eine fast sichtbare Erregung ging durch sie hindurch, und sie gaben ihr Vorhaben, zu dem sie Zeitungen und Streichhölzer benutzten, auf und kamen, um uns zu begrüßen.
    »Hallo, Frankenstein«, rief Alec, als wir in Hörweite waren.
    »Hallo«, erwiderte ich würdevoll.
    Das erste Mal, als sie mich so begrüßten, hatte es mich empört. Besonders deshalb, weil sie mir Geld angeboten hatten, wenn ich meinen Verband abnähme und sie meine Verletzungen betrachten ließe. Es war ein bisschen so, als würden sie mich bitten, mein T-Shirt hochzuziehen und ihnen meine Brüste zu zeigen, nur schlimmer. Damals waren mir die Tränen in die Augen geschossen, so schockiert war ich angesichts der Grausamkeit der Menschen, und ich drehte mich um und wollte geradewegs nach Hause gehen. Dann hörte ich, wie Maggie fragte: »Wie viel? Wie viel bezahlt ihr für die schlimmste Wunde?«
    Es kam zu einer kurzen Besprechung. »Einen Euro.«
    »Gib her«, sagte Maggie bestimmend. Der älteste – er behauptete, dass sein Name Hedwig sei, aber das war ja
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