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Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Titel: Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Kitty Sewell
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Seine Mutter hatte in ihm einen Widerwillen gegen seinen Penis geweckt, und überhaupt hatte er sowieso »nicht sonderlich gut funktioniert«. Er war ein vorzeitig gealterter Zweiundfünfzigjähriger, unverheiratet und hatte weder Kinder noch Geschwister oder Verwandte, von denen er wusste.
    »Sehen Sie mal«, sagte er. »Wenn man über den Teufel spricht – noch einer Ihrer Freunde.« Er verschwand kurz nach unten und hielt dann sein Handgelenk an die Luke. Eine kleine gelbe Ameise krabbelte darauf herum. »Ich hab schon eine ganze Menge dieser Kerlchen in meiner Zelle gesehen.«
    Madeleine lächelte. »Möglicherweise gibt es auf der ganzen Welt kein Geschöpf, das mehr verfolgt wird. Es ist eine Monomorium pharaonis, eine Pharaoameise. Sie gedeihen besonders in öffentlichen Einrichtungen, wahrscheinlich weil es dort schön warm ist und große Küchen gibt. Sie wissen, was gut für sie ist. Sie sind ganz schön gewieft.«
    »Dieses Kerlchen möchte Ihnen was sagen …« Edmund hob die Hand zum Mund und ahmte eine Piepsstimme nach. »Alles Gute zum Geburtstag, Ameisenfrau.«
    Madeleine war verblüfft. »Woher wissen Sie das denn?«
    »Sie müssen es mir erzählt haben.«
    »Nein, ich erzähle meinen Patienten nie …« Sie verstummte. »Ich wollte nicht sagen, dass …«
    Wütend funkelte Edmund sie an. »Also sind wir doch keine richtigen Freunde.«
    Er schlug auf sein Handgelenk, was Madeleine zurückspringen ließ. Die unverhohlene Aggression seiner Geste erinnerte sie daran, dass es ihm nichts bedeutete, ein Leben auszulöschen. Sie standen eine Weile schweigend da. Edmund schüttelte den Kopf. Es konnte sein, dass er es bedauerte, die Ameise zerquetscht zu haben. Es lag nicht in seinem Interesse, sie vor den Kopf zu stoßen. Sie war der einzige Mensch, der ihn besuchte.
    »Was soll’s, zum Teufel. Ich finde mich damit ab, Ihr Patient zu sein. Das ist besser als ein Sozialfall«, lenkte er ein.
    »Ach kommen Sie, Edmund. Sie sind weder das eine noch das andere.« Sie wusste, dass sie gar nicht erst versuchen brauchte, ihren Versprecher zu leugnen oder zurückzunehmen.
    Nachdenklich blickte er zu Boden. Das böse Funkeln in seinen Augen war verschwunden. Seine zerfurchten Züge bildeten einen krassen Gegensatz zu seinem glatten, kalkweißen Schädel, der im grellen Licht der Neonröhren wie ein gepelltes Ei glänzte. Wenn er sein Haar wachsen lassen würde (sofern er überhaupt noch welches hatte), würde es nach seinen schneeweißen Augenbrauen und Wimpern zu urteilen bestimmt ebenfalls weiß sein. Sie hatte noch nie jemanden kennengelernt, der einem Albino stärker ähnelte, zumindest nicht hier in Großbritannien, wo Albinos selten waren. Einmal hatte sie ihn nach seiner Haarfarbe gefragt, und er hatte ihr erzählt, seine Mutter habe ihn als Strafe für sein Bettnässen gezwungen, Chlorbleiche zu trinken. Dadurch seien seine Haare weiß geworden (konnte das wirklich stimmen?). Seine Kindheit war furchtbar gewesen und sein Leben sehr schwer; kein Wunder, dass er so zerrüttet aussah.
    Die Erinnerung an das Gespräch über seine Mutter vor rund acht Monaten stimmte sie versöhnlich. In dem untersetzten, gebleichten Mann verbarg sich ein kleiner Junge, der schrecklich gelitten hatte. Es gab keinen Zweifel, dass seine Mutter einige grausame und ausgefallene Strafen über ihn verhängt hatte, und um damit fertig zu werden, hatte er schon in jungen Jahren eine obsessiv-zwanghafte Störung entwickelt, die zwar deformierend gewesen war, ohne die er jedoch emotional nicht überlebt hätte. Und nun waren Madeleines pünktliche Besuche zum Hauptereignis in seinem Leben geworden, und seine rituellen Vorbereitungen darauf nahmen einen ganzen Tag in Anspruch.
    Edmund unterbrach ihre Gedanken. »Also gut, nachdem wir das Thema nun einmal angesprochen haben … Warum zum Teufel verschwenden Sie Ihre kostbare Zeit, um hierherzukommen und nett zu mir zu sein, vor allem wenn man bedenkt, dass Sie Woche für Woche mit Dutzenden von verkorksten Leuten zu tun haben? Warum nehmen Sie das auf sich, die Fahrt und alles?«
    Madeleine schwieg. Sie wusste, dass er ihr die Chance bot, ihren Fehler wiedergutzumachen. Es gab eine lange Antwort auf diese Frage – da hätte sie jedoch zu viel von sich preisgeben müssen –, aber es gab auch eine kurze.
    »Warum ich ursprünglich damit angefangen habe, weiß ich nicht genau«, begann sie schließlich. »Aber jetzt komme ich hierher, weil ich mich auf unsere Begegnungen freue. Ich arbeite
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