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Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Titel: Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Kitty Sewell
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befand sich hinter geschlossenen Gefängnistüren. Nicht als Insassin, sondern als offizielle Gefangenenbesucherin, ein ehrenamtliches Engagement, dem einsame Sträflinge nette Besuche von ebenso einsamen Gutmenschen mit einem nicht ganz reinen Gewissen verdankten.
    So könnte man mich in wenigen Worten beschreiben, dachte sie mit einem bitteren Lächeln. Ihre Gewissensbisse war sie nie losgeworden, obwohl sie nun schon acht Jahre Witwe war. Bei ihren Freunden galt sie längst als Einzelgängerin.
    »Worüber lächeln Sie?«, fragte Edmund Furie, das Ziel ihrer philanthropischen Bemühungen. »Sie sind in Gedanken weit weg, meine Schöne. Ich langweile Sie doch nicht etwa?«
    Ihre Hand ruhte auf der Kante der Luke in der Zellentür, und er streckte seinen Arm aus, um sie zu berühren.
    »Langweilen? Auf gar keinen Fall.« Sie schüttelte den Kopf. »Alles Mögliche, nur nicht langweilen.«
    Sie zog ihre Hand zurück. Der Gefangene lag ihr zwar am Herzen, aber sie wollte nicht, dass er sie anfasste. Das, was er getan hatte, war zu entsetzlich gewesen, und davon abgesehen verstieß es gegen die Vorschriften.
    »Alles Mögliche?«
    Sie lachte. »Naiv von mir zu glauben, dass ich Sie mit meiner Bemerkung würde abspeisen können. Also gut: Ich bin fasziniert, irritiert, amüsiert, erstaunt … Was noch …?« Sie kratzte sich theatralisch den Kopf.
    »Und Sie befriedigen Ihr Bedürfnis nach sozialem Engagement?«
    Ihr Lächeln erstarrte. Edmund Furie schien sie nur allzu gut zu durchschauen. Seine Lippen verzogen sich. Ein Lächeln wirkte bei ihm nicht natürlich, und zudem wurde der Blick unerbittlich auf seine Zähne gelenkt. Sie waren höchst ungewöhnlich, denn sie standen so zahlreich und dicht in seinem Unterkiefer, dass sie zwei Reihen bildeten, ein wenig wie die Zähne bei einem Hai. Heutzutage, dachte sie, durfte man doch wohl davon ausgehen, dass es Zahnärzte gab, die einige seiner Zähne ziehen und den Rest mit Hilfe einer Klammer richten konnten. Sie war schon mehrmals versucht gewesen, ihm anzubieten, sich für ihn nach einer solchen Behandlung zu erkundigen. Aber letztlich war er in der Lage, sich selbst um seine Zähne zu kümmern, wenn sie ihn störten.
    »Sie müssen meine Frage nicht beantworten, meine Liebe. Warum erzählen Sie mir nicht, wie Ihr Tag war?«
    »Edmund, nein. Immer läuft es darauf hinaus, dass wir über mich reden.«
    »Na und? Ihre Arbeit interessiert mich. Mit welchen Rätseln der menschlichen Seele haben Sie heute gerungen?«
    »Mir fällt kein Fall ein, mit dem Sie etwas anfangen könnten. Und außerdem wissen Sie doch, dass ich mich bei Ihnen nicht über meine Patienten ausweinen darf.«
    Sie verlagerte ihr Gewicht auf den anderen Fuß. Es strengte ihren Rücken an, sich eine Stunde stehend mit dem Gefangenen durch die Luke der Zellentür zu unterhalten. Zu Beginn, vor über einem Jahr, hatte sie zunächst den Gefängnisgeistlichen, später den Direktor persönlich gebeten, zu Edmund in die Zelle gehen oder in der offenen Tür oder auf dem Flur sitzen zu dürfen. Erstaunt hatte Mr Thompson ihre Bitte abgelehnt. Ihr sei offensichtlich nicht klar, wie gefährlich und unberechenbar Edmund war.
    Edmund schnippte mit den Fingern vor ihrem Gesicht. »Hallo … Sie können mir vertrauen, Madeleine, das wissen Sie doch. Ich würde Sie niemals in irgendeiner Weise kompromittieren. Merken Sie sich das von jetzt an. Ich bin vielleicht ein Mörder, aber Freunde würde ich nie enttäuschen. Und Sie gehören doch zu meinen Freunden, nicht wahr?«
    Sie sahen einander einen Augenblick lang schweigend an, Sie kannten sich inzwischen ziemlich gut. Oder, so schien es, er kannte sie sehr gut. Fast zu gut.
    »Ja, Edmund, ich bin mit Ihnen befreundet.«
    Sie meinte es ernst, obwohl sie über seine Verbrechen entsetzt war. Sie würde auf ihrem Heimweg darüber nachdenken. Die lange Fahrt gab ihr immer genug Zeit, ihre Aufrichtigkeit oder zumindest die Kompromisse, die sie bei ihrer Freundschaft mit dem psychopathischen Gewalttäter einging, zu hinterfragen.
    Edmunds Gesicht näherte sich der Luke. Er strengte sich an, mehr von ihr zu sehen. Psychopathen verlieben sich nicht wirklich in andere Menschen, auch wenn sie das natürlich glauben, rief sie sich in Erinnerung. Er war auf sie fixiert, aber deswegen war sie nicht sonderlich besorgt. In seinem durchdringenden Blick lag nichts Sexuelles. Er hatte ihr einmal verraten, dass er mit diesem Bereich des Lebens abgeschlossen habe, und sie glaubte ihm.
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