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Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Titel: Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Kitty Sewell
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falls er im Wasser war, von den schaukelnden, aneinanderkrachenden Hausbooten wegschwimmen konnte. Aber als sie einen Blick nach draußen warf, sah sie, wie heftig die See tobte. Und vor der Promenade erhob sich zudem eine Wasserwand, eine Sturzsee, die sich deutlich über das Land auf sie zuschob. Weiter draußen wogten und wälzten sich ohne Unterlass riesige Wellen wie eine in Bewegung geratene Bergkette.
    Plötzlich entdeckte sie ihn. Er versuchte sich in der aufgewühlten See über Wasser zu halten. Sie sah, wie er auf einen Wellenkamm gehoben wurde und sogleich hinter der nächsten Woge verschwand. Er war ein hervorragender Schwimmer und würde sich eine Weile halten können, das wusste sie, aber der Gedanke war kein Trost. Obgleich das Hausboot heftig schaukelte, bemühte sie sich, ihren Mann im Auge zu behalten, wie er gegen das Meer ankämpfte, das er stets beherrscht und das ihn bis zu diesem Tag gut ernährt hatte. Er wurde schnell hinausgetragen und war schon bald nur noch ein Punkt in der Ferne, der auf den Wogen tanzte und verschwand, tanzte und verschwand, bis sie ihn aus den Augen verlor.
    Gerade als sich ein gellender Verzweiflungsschrei ihrer Kehle entrang, war ein lautes metallisches Kreischen zu hören. Die Kabine schien auseinanderbrechen zu wollen. Madeleine bereitete sich innerlich darauf vor, dass die Wände gleich bersten würden. Sie hatte nichts dagegen, dass das Heim, das sie so geliebt hatte, zerstört wurde – im Gegenteil. Sie würde eines schnellen Todes sterben. Gramvoll und vor Schmerzen zitternd, richtete sie sich auf und sah auf Händen und Knien durch das zersplitterte Fenster. Sie wollte zusehen, wie der Tod sie holen kam. Aber alles, was sie sah, war die Verwüstung am Pier.
    Drei oder vier Hausboote waren bereits zu Haufen aus Metallteilen und zersplitterten Planken geworden. Der schreckliche Lärm, den sie hörte, wurde vom Hausboot der Possles verursacht, das wie eine Pappschachtel hochkant stand, während Sturm und Wasser an einer seiner Seiten rissen. Teile der Rumpfverkleidung wirbelten in Zeitlupentempo auf das Meer hinaus. Eines traf die Tür, an der sie kauerte. Ein Glasregen warf sie erneut nieder. Ein weiteres Fenster zerbarst, ein drittes folgte. Madeleine rollte sich auf dem Boden zusammen und wartete darauf, dass sie an die Reihe kam. Je eher, desto besser, nun, wo Forrest fort war. Sie würde sich nicht wehren.
    Das Hausboot stieg auf und ab wie eine Achterbahn und krachte in regelmäßigen Abständen gegen den Holzsteg. Trümmer und Papier wirbelten durch die Kabine. Sie sah eine ihrer Zeichnungen durch die Luft fliegen, die Skizze, die sie vor gerade einmal zwei Stunden von dem Mann, den sie liebte, angefertigt hatte. Die Hände vor das Gesicht geschlagen, dachte sie an ihren geliebten Ehemann Forrest, den treuesten Freund, den sie je gehabt hatte. Sie hatte ihn getötet. Ihre Maßlosigkeit, ihre Bequemlichkeit, ihre selbstsüchtige Leidenschaft für ihn hatten dazu geführt, dass sie die Gefahr zu spät erkannt hatten. Er starb in der tosenden, dunklen See da draußen. Sie war schuld an seinem Tod.
    Doch sie selbst war auch so gut wie tot. Sie war bereit für das Unvermeidliche, für ihre Erlösung. Wenn sie sich irgendwo im Jenseits wieder begegneten, würde er ihr vielleicht verzeihen. Noch nie hatte er ihr etwas vorgeworfen, noch nicht einmal, dass sie ihrer beider Kind verloren hatte.
    Während der Hurrikan um sie herum wütete, überkam sie eine große Ruhe. Plötzlich spürte sie Forrest. Diesen Zustand kannte sie, er hatte sie oft genug erschreckt. Sie spürte den rasselnden Atem ihres Mannes an der Wange, sie konnte seinen flatternden Herzschlag hören. Er war noch nicht untergegangen, sondern kämpfte um sein Leben. Nach und nach wurde sein Atmen immer schwächer; es verlangsamte sich, bis sie es nicht mehr spürte. Schließlich hörte sein Herz zu schlagen auf.
    Sie versuchte, ihr eigenes Herz zum Stillstand zu bringen, aber es gehorchte ihr nicht. Kühl und sachlich überlegte sie sich, dass Ertrinken angenehmer war, als zerschmettert zu werden. In das Hausboot war Wasser eingedrungen, um sie herum bildeten sich Wirbel. Sie senkte den Kopf und holte tief Luft, um ihre Lungen mit Wasser zu füllen. Schließlich wurde ihr schwarz vor Augen, und sie glitt fort.



1. Kapitel
    Bath, Somerset
    M adeleine Karleigh Frank, Psychotherapeutin, in gewissen Sammlerkreisen bekannte Künstlerin und Expertin für seltene Arten der Blattschneiderameisen Floridas,
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