Erben der Macht
Nebenwirkung des Seelenbandes war, mit dem sie und Devlin seit ihrer Geburt unauflöslich verbunden waren. Genau genommen befand sich ihre junge Beziehung in einer Krise.
Devlin, König und Erbe der Py’ashk’hu-Dämonendynastie, war unter Dämonen aufgewachsen und sich seines Standes als ihr alleiniger Herrscher nur allzu bewusst. Das hatte zu einer gewissen arroganten Grundhaltung geführt, die er leider auch gegenüber Bronwyn zeigte. Dass sie aufgrund der Bestimmung, für die sie beide geboren worden waren, aneinander gebunden waren bis ans Ende ihrer Tage, machte die Sache nicht besser. Devlin störte das wenig, genau genommen gar nicht. Bronwyn fühlte sich missbraucht, wenn auch nicht von ihm, sondern von ihren Erzeugern.
Vor 3330 Jahren war es den Oberhäuptern der beiden Dynastien – Mokaryon und Reyashai, Devlins Mutter – gelungen, von der anderen Seite aus das einzige Tor zu öffnen, durch das alle Dämonen der Unterwelt in die Welt der Menschen gelangen konnten. Devlin hatte ihr erklärt, dass die Unterwelt aus unzähligen verschiedenen „Biotopen“ bestand, die in sich abgeschlossen existierten und in denen eine Atmosphäre herrschte, die sich mit der in dieser Welt nicht vertrug. Die Magie des Einen Tores bewirkte, dass jeder Dämon, der es von der anderen Seite aus durchschritt, körperlich an die Gegebenheiten in dieser Welt angepasst wurde, sodass er problemlos hier leben konnte. Und Reya hatte gesagt, dass diese Welt reichlich Nahrung für Dämonen ihrer Art bot, vor allem in Form der Emotion Angst, die unter Dämonen recht selten vorkam, was sie zu einem begherten Territorium machte.
Dass die Dämonen nicht schon damals hordenweise hierhergekommen waren, verdankte die Menschheit einigen beherzten menschlichen Zauberern, denen es gelungen war, das Tor zu schließen, sodass nur ungefähr hundertfünfzig Dämonen beider Dynastien es in diese Welt geschafft hatten. Zwar hatten die Menschen mangels entsprechender Fähigkeiten und Kräfte das Tor nicht auf ewig versiegeln können, aber sie hatten es magisch so gesichert, dass kein Dämon es je wieder öffnen konnte. Allerdings hatten die Dämonen im Laufe der darauf folgenden Jahrhunderte einen Weg gefunden, den Zauber aufzuheben.
Zu diesem Zweck mussten zwei Wesen, die halb Dämonen, halb Menschen waren, die in Körper, Herz und Seele eins geworden waren, in einem besonderen Ritual ihr Blut vergießen. Jedoch musste das zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfinden, nämlich am Tag einer hiesigen Wintersonnenwende, wenn auf der anderen Seite gleichzeitig das „T’k’Sharr’nuh-Opfer“ erbracht wurde; was immer das war. Damit nicht genug mussten die beiden Auserwählten exakt um Mitternacht des Herbstäquinoktiums dreiunddreißig Jahre vor diesem Zeitpunkt geboren worden sein.
Mit anderen Worten: Bronwyn und auch Devlin waren ausschließlich zu dem Zweck gezeugt und geboren worden, um der Schlüssel zu sein, mit dem die Dämonen den Rest ihrer Sippe in die Welt holen wollten. Sie waren nichts anderes als ein Werkzeug, das man benutzte. Zur Belohnung bekämen sie dadurch zwar die Macht über die Dämonen und wären nicht nur uneingeschränkte Herrscher über alle, die in diese Welt kämen, sondern über die Menschheit gleich dazu. Auch wenn sich diese Herrschaft nicht wie bei den Dämonen in Form eines Königtums etablierte, sondern in einem gigantischen Wirtschaftsimperium. Das änderte nichts an der Tatsache, dass die Dämonen sie nur benutzten. Und auch jeder Mensch, der ihnen „diente“, tat das ausschließlich aus eigennützigen Beweggründen, weil er sich – zu recht – wahlweise Reichtum oder Macht oder beides erhoffte, wenn er den Dämonen die Stiefel leckte und dafür seine eigene Rasse verkaufte.
Als Bronwyn vor drei Wochen ihr weltliches Erbe angetreten hatte, hatte sie festgestellt, dass sie die reichste Frau der Welt war. Ihr Vermögen belief sich auf eine siebzehnstellige Summe – vor dem Komma – und wuchs täglich um einen siebenstelligen Betrag. Devlin besaß ebenso viel. Die Anwaltskanzlei, die seit zweihundert Jahren Mokaryons und jetzt Bronwyns Vermögen verwaltete und vermehrte, ging buchstäblich über Leichen, um Mokaryons Auftrag zu erfüllen, möglichst viel Geld zu scheffeln. Aber nicht seinetwegen. Da die vier Anwälte Turnbull, Coulter, Stavros und Blaylock prozentual am Gewinn beteiligt waren, hatten sie selbst Millionen kassiert. Ihre einzige Sorge, als Bronwyn den Laden übernommen hatte, war
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