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Erbarmungslos: Thriller (German Edition)

Erbarmungslos: Thriller (German Edition)

Titel: Erbarmungslos: Thriller (German Edition)
Autoren: Mark Henshaw
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eine Möglichkeit, sich das Hemd ohne größere Schmerzen auszuziehen. Sie zog mit der linken Hand ein Taschenmesser aus ihrer Tasche und öffnete die Klinge mit den Zähnen. Dann schob sie es unter ihren Kragen und zog es nach rechts und um die Naht an der Schulter herum. Der Ärmel rutschte von ihrem Arm und fiel, schwer vom Blut, auf den Boden.
    Haut und Muskeln an ihrem Trizeps waren in einer quer verlaufenden Wunde zerfetzt. Den Knochen konnte sie nur wegen des Blutes nicht sehen. Adrenalin hatte den Schmerz gedämpft.
    Wann …?
    Mit der Fähigkeit des Gehirns, bestimmte Dinge auszublenden, hatte sie sich auf den unmittelbaren Schmerz in ihrer Lunge und den Beinen konzentrieren und sich von der Schussverletzung ablenken können. Als sie jetzt die Wunde sah, nahm sie ihre Lunge und die Beine nicht mehr wahr. Dafür ergriffen die Schmerzen ihren gesamten Oberkörper und blockierten ihre Gedanken. Nur mit Mühe schaffte sie es, einen Schrei zu unterdrücken.
    Die Erste-Hilfe-Ausrüstung müsste sich im Badezimmer befinden, überlegte Kyra. Dorthin stolperte sie, bemüht, ihren Arm nicht zu bewegen. Unter dem Waschbecken lag ein großer Umhängebeutel. Die CIA-Sicherheit, ehemalige Pfadfinder, wie sich Kyra dachte, war immer auf alles vorbereitet und die Traumaausrüstung eher für ein Kriegsgebiet als für eine Großstadt ausgelegt. Kyra versuchte, sich zu konzentrieren, während sie nach den beiden Dingen suchte, die sie am dringendsten benötigte, eine Rolle Mullverband und eine Morphiumspritze. Sie stach sich die Nadel knapp über der Wunde in den Arm, ohne vor Schmerzen aufzuschreien, drückte den Kolben nach unten und zog die Spritze wieder heraus. Dies waren die längsten zehn Sekunden ihres Lebens gewesen.
    Ihr Arm wurde taub, und schließlich hörte sie auf zu zittern und entspannte sich. Der Schmerz ließ nach, und sie wappnete sich gegen den nächsten Schritt ihrer Selbstverarztung. Dazu knüllte sie mit der linken Hand ein Stück Mull zusammen und drückte es auf die Wunde. Fast im gleichen Moment hörte die Wunde auf zu bluten.
    Das Morphium wirkte schnell. Sie war nicht in der Lage gewesen, über die Dosis nachzudenken. Jedenfalls war sie hoch genug. Vielleicht zu hoch.
    Sie verband ihren Arm, um das Stück Mull in der Wunde zu fixieren. Das Ergebnis sah hässlich aus, doch beides, das Morphium und der Verband, erfüllten ihren Zweck. Am Schluss hielt sie den Verband mit zwei Klammern zusammen.
    Auf dem Weg zurück ins Schlafzimmer brach sie beinahe zusammen. Sie ließ sich auf die Matratze sinken, drehte sich auf den Rücken und kramte in ihrer Jacke nach dem abhörsicheren Handy mit der verschlüsselten Nummer, das ihr der stellvertretende Stationsleiter zwei Stunden zuvor gegeben hatte.
    Sie wusste, das Morphium und der nachlassende Stress würden sie bewusstlos machen. Vielleicht blieb ihr noch eine Minute, um anzurufen, bevor sie in dichten Nebel eintauchen würde. Ihr Arm war zum Glück bereits taub.
    Draußen hörte sie zwei Sirenen vorbeibrausen. Sie konnte die Entfernung nicht einschätzen, doch sie schienen aus unterschiedlichen Richtungen zu kommen.
    Hier ist es nicht sicher , dachte sie. Sie wusste nicht, an welcher Stelle SEBIN sie zuletzt gesehen hatte, und kannte somit auch nicht den Bereich, in dem SEBIN sie suchen würde. Sie könnten bereits in der Nähe sein, ein Hochhaus nach dem anderen stockwerkweise durchkämmen. Vielleicht schlichen sie draußen durchs Treppenhaus oder durch den Flur. Sie könnten die Tür aufbrechen. Von Mauern würden sie sich nicht aufhalten lassen.
    Die Wände schienen immer näher zu kommen. Sie geriet in Panik, der Stress der letzten Minuten setzte ihr zu. Ihre unverletzte Hand zitterte, diesmal aber nicht vom Schock oder Schmerz.
    Hier ist es nicht sicher.
    Kyra drückte die einzige belegte Kurzwahltaste des Telefons.
    Die Verbindung wurde hergestellt. Die Stimme am anderen Ende war amerikanisch.
    »Vermittlung.«

Erster Tag
    Sonntag
    Zwei Monate später
    Beihai-Park, Peking
    Volksrepublik China
    Von den vielen Parksin Peking mochte Pioneer nur diesen einen. Hierher, an diesem tausend Jahre alten Ort, hatten sich die Kaiser zurückgezogen, während die Christen ihre Kreuzzüge verloren hatten. Seine Schönheit war einzigartig, dachte er, und der See Tai Ye bot selbst im Winter Trost, wenn er zitternd am Ufer saß und der sibirische Wind durch seinen dünnen Mantel blies. An diesem Abend hatte er eine volle Stunde in der Kälte zugebracht und die sanften
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