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Er sieht dich wenn du schläfst

Er sieht dich wenn du schläfst

Titel: Er sieht dich wenn du schläfst
Autoren: Mary Higgins Clark
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strammer
Neunzigjähriger, und schlug die Hacken zusammen. »Hallelujah!«, rief er und lief nach vorn.
    »Ordentlich, habe ich gesagt«, tadelte der Engel in beinahe resigniertem Tonfall. »Obwohl ich Ihnen keinen großen Vorwurf
machen kann«, murmelte er und rief den nächsten Namen auf.
»Tito Ortiz…«
    Tito jauchzte vor Freude, lief durch den Mittelgang und heftete sich an Walters Fersen.
»Jackie Mills, Dennis Pines, Veronica Murphy, Charlotte
Green, Pasquale D’Amato, Winthrop Lloyd III, Charlie Potters,
Jacob Weiß, Ten Eyck Elmendorf…«
Eine endlose Reihe von Namen wurde vorgelesen, und die
Bankreihen leerten sich.
Der Engel war am Ende der Liste angelangt und faltete sie zusammen. Sterling blieb als Einziger übrig. Eine Träne trat ihm
ins Auge. Der himmlische Warteraum erschien ihm wie eine
einsame Höhle. Ich muss ein schrecklicher Mensch gewesen
sein, dachte er. Ich werde es am Ende gar nicht in den Himmel
schaffen.
Der Engel legte die Liste zur Seite und kam auf ihn zu. O
nein, dachte Sterling verzweifelt, sag jetzt nicht, dass ich an den
anderen Ort geschickt werde. Zum ersten Mal spürte er, wie es
war, absolut hilflos und ohne Hoffnung zu sein.
»Sterling Brooks«, sagte der Engel. »Sie werden zu einer außerordentlichen Sitzung des Himmlischen Rates gerufen. Folgen
Sie mir bitte.«
Ein winziger Hoffnungsschimmer flackerte in Sterling auf.
Vielleicht hatte er ja noch eine winzige Chance. Er atmete tief
durch, stand auf und folgte dem Engel zur Tür des Ratszimmers.
Der Engel schaute ihn mitleidig an und flüsterte ihm zu: »Viel
Glück.« Dann öffnete er die Tür und schob Sterling hinein.
Der Raum war nicht groß. Er war in sanftes, erlesenes Licht
getaucht, wie Sterling es noch nie erlebt hatte. Die verglaste
Wand bot einen herrlichen Blick auf das Himmelstor, und Sterling wurde klar, dass das Licht von dort reflektiert wurde.
Vier Männer und vier Frauen saßen an einem langen Tisch
und blickten ihn an. Ihr Haupt war von einem Glorienschein
umgeben. Heilige, dachte Sterling sogleich, wenn auch nicht
die, die er von den bleiverglasten Fenstern der im Urlaub besichtigten Kathedralen her kannte. Ihre Kleidung reichte von biblischen Gewändern bis hin zur Mode des zwanzigsten Jahrhunderts. Da Sterling mit einer schnellen Auffassungsgabe gesegnet
war, wurde ihm sofort klar, dass sie die typische Kleidung der
Zeit trugen, in der sie gelebt hatten. Der Mann am anderen Ende
des Tisches, ein Mönch mit ernster Miene, eröffnete das Verfahren.
»Setzen Sie sich, Sterling. Wir haben ein Hühnchen mit Ihnen
zu rupfen.«
Sterling nahm Platz. Alle Augen waren auf ihn gerichtet.
Eine Frau in einem eleganten Gewand aus rotem Samt und
mit einer Tiara auf dem Kopf sagte in kultiviertem Ton: »Sie
hatten es leicht im Leben, nicht wahr, Sterling?«
Du hast es auch nicht gerade schwer gehabt, wie’s aussieht,
dachte Sterling, hielt aber den Mund. Er nickte fromm. »Ja, Madam.«
Der Mönch schaute ihn streng an. »Eine Krone ist eine schwere Last. Ihre Majestät hat ihren Untertanen viel Gutes getan.«
Mein Gott, sie können meine Gedanken lesen, merkte Sterling
und begann zu zittern.
»Aber Sie haben sich nie für jemanden eingesetzt«, fuhr die
Königin fort.
»Sie waren ein Gutwetterfreund«, verkündete der Mann in
Schäferkleidung, der Zweite von rechts.
»Passiv-aggressiv«, erklärte ein junger Matador, der sich eine
Fluse von der roten Capa zupfte.
»Was soll das heißen?«, fragte Sterling verängstigt.
»Oh, tut mir Leid, dieser irdische Ausdruck kam erst nach Ihrer Zeit auf. Er ist inzwischen recht geläufig, glauben Sie mir.«
»Deckt eine ganze Reihe von Sünden ab«, murmelte eine
schöne Frau, die Sterling an die Bilder von Pocahontas erinnerte.
»Aggressiv?«, fragte Sterling. »Ich bin nie ausgerastet. Niemals.«
»Passiv-aggressiv ist etwas anderes. Man verletzt andere
durch das, was man unterlässt. Und durch Versprechungen, die
man gar nicht erst einzuhalten gedenkt.«
»Sie waren ichbezogen«, sagte eine hübsche Nonne am Ende
des Tisches. »Sie waren ein guter Vermögensberater, der den
Reichen bei ihren kleinen Problemen half, aber Sie haben Ihre
Fachkenntnis nie dem armen Unglücklichen zur Verfügung gestellt, der zu Unrecht sein Zuhause verlor oder dem der Pachtvertrag für den Laden gekündigt wurde. Schlimmer noch, Sie
haben hin und wieder tatsächlich erwogen zu helfen, dann aber
doch beschlossen, sich nicht damit zu befassen.« Sie schüttelte
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