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Enwor 1 - Der wandernde Wald

Enwor 1 - Der wandernde Wald

Titel: Enwor 1 - Der wandernde Wald
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Er bekam keine Luft mehr. Sein Herz begann wild und protestierend zu hämmern, und vor seinen Augen flimmerten bunte Kreise. Er zerrte verzweifelt an Dels Armen, aber seine Anstrengung schien den tödlichen Würgegriff eher noch zu verstärken. Schließlich warf er sich mit einer verzweifelten Bewegung zurück und schlug Del gleichzeitig die gefalteten Fäuste ins Gesicht.
    Dels Kopf flog in den Nacken. Der tödliche Griff lockerte sich. Seine Finger glitten haltlos an Skars Harnisch hinab und verkrallten sich in seinen Gürtel.
    Skar schlug noch einmal zu, nicht so hart diesmal, aber dafür gezielt. Seine Handkante traf Del genau hinter dem Ohr. Der junge Satai stieß einen kläglichen Seufzer aus, verdrehte die Augen und sackte bewußtlos zusammen.
    Skar blieb minutenlang schweratmend hocken und massierte seinen schmerzenden Hals. Es hätte nicht viel gefehlt, und Del hätte ihm das Genick gebrochen.
    Dabei konnte er ihm nicht einmal einen Vorwurf machen. Er war es, der die Situation falsch eingeschätzt hatte. Er hätte früher erkennen müssen; in welchem Zustand Del war. Schon seine Verwundung hätte ausgereicht, einen weniger zähen Mann in wenigen Stunden umzubringen. Der mörderische Marsch, die Hitze und der Durst hatten ein übriges getan.
    Delirium, dachte er. Die wenigen Tropfen Wasser hatten den Zusammenbruch nicht mehr aufhalten können. Vielleicht hatten sie ihn sogar noch beschleunigt.
    Skar stand auf; wohl ein wenig zu schnell. Für einen Moment begannen sich die Wüste, der Himmel und die flirrende Sonne um ihn zu drehen. Er schwankte, griff haltsuchend in die leere Luft und fing sich im letzten Moment wieder. Die Schleier vor seinen Augen zerrissen, und das Schwindelgefühl verschwand genauso rasch, wie es gekommen war. Aber er machte sich nichts vor — es würde nicht mehr sehr lange dauern, bis er selbst auf dem Bauch liegen und mit bloßen Finger nach Wasser graben würde, obwohl er genau wußte, daß keines da war. Und dann würde es nicht mehr sehr viel länger dauern, bis er sich den trockenen, erstickenden Staub mit beiden Händen in den Mund schieben und genüßlich schmatzen würde. Vielleicht wäre das sogar die einfachste Lösung, dachte er. Sich ausstrecken, das Gesicht tief in den Sand wühlen und einatmen. Kein angenehmer Tod, aber ein schneller.
    Aber dazu war immer noch Zeit. Es war nicht das erste Mal, daß er und Del in einer aussichtslosen Lage waren.
    Aber es ist das erste Mal, daß sie wirklich aussichtslos ist,
wisperte eine Stimme in seinen Gedanken.
Bisher war sie immer nur scheinbar aussichtslos. Diesmal ist sie es wirklich.
    Skar versuchte, das einschmeichelnde, sanfte Flüstern hinter seiner Stirn zu ignorieren, aber es ging nicht.
    Ihr seid erledigt,
fuhr die Stimme fort, und ein leiser Unterton von Spott, als amüsiere sie sich im stillen über seine Bemühungen, sie zum Schweigen zu bringen, schien darin mitzuschwingen,
sieh das endlich ein. Gib auf. Leg dich hin und schlief. die Augen und warte auf das Ende. Es ist einfach. Leicht. Du brauchst nur einzuschlafen. Du wirst sehen, es geht schnell.
    Irgendwann, in nicht mehr allzuferner Zukunft würde er auf diese Stimme hören. Vielleicht heute schon.
    Aber noch war es nicht soweit. Solange noch ein kleines bißchen Kraft in ihm war, würde er weiterkämpfen. Wenigstens so lange, wie Del noch lebte.
    Erneut betrachtete er Dels reglos ausgestreckten Körper. Er wirkte, trotz allem, immer noch beeindruckend und furchteinflößend. Die Wüste hatte ihn ausgedörrt und verbrannt, aber sie vermochte die Aura von jugendlicher Kraft und Energie, die Del umgab, nicht ganz auszulöschen. Er spürte die Druckstellen, die Dels Finger auf seinem Hals hinterlassen hatten, immer noch. Del war stark, unglaublich stark, selbst jetzt noch und selbst für einen Mann seiner Statur. Eigentlich hatte Skar immer wie selbstverständlich angenommen, daß er als erster sterben würde. Del und er hatten Schulter an Schulter so manchen Kampf ausgefochten. Die meisten hatten sie gewonnen, ein paar verloren, und einige wenige waren unentschieden ausgegangen. Aber es war immer für sie beide klar gewesen, daß er, Skar, der Ältere, Erfahrenere, eines Tages nicht mehr mit Dels ungestümer Kraft würde mithalten können, obwohl sie in all den Jahren niemals über dieses Thema geredet hatten. Er. hatte Del alles beigebracht, was er wußte. Jede Technik, jedes bißchen Erfahrung und Wissen. Jeden Trick, der erlaubt war, und auch einige, die nicht
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